Dienstag, 1. Dezember 2009

Außergeistige Erfahrungen oder Das Glück liegt nicht unter der Fußmatte Teil 2

Das Nächste, an das ich mich erinnern kann, ist, dass ich nackt vor meiner Wohnungstür stand.

Während ich da also so nackt vor meiner Wohnungstür stand, und nur damit es hier keine Missverständnisse gibt, ich stand außerhalb meiner Wohnung, kam ich langsam - und ich meine wirklich langsam - wieder zu mir. Mein Körper stand vor meiner Tür, meine Hand zuppelte am Türgriff herum. Alles ohne mein Zutun, alles auf Autopilot. Es ist ein seltsames Gefühl, wenn man zu sich kommt, während man etwas tut. Wenn der Verstand sich verabschiedet hat, agiert man dabei für gewöhnlich nicht. Entweder man schläft, ist ohnmächtig oder liegt ausgeknockt in der Ecke, aber man fummelt nicht stehend an irgendetwas herum.

An diesem Morgen bewies ich mir selbst das Gegenteil.

Anfangs dachte ich nichts. Ich kehrte einfach wieder in meinen Körper zurück und wurde Zeuge der Dinge, die ich da tat.

Ich fummelte am Türgriff herum.

Ich zog an der Tür.

Wieder fummel fummel am Griff.

Blick unter die Fußmatte.

Griff.

Fußmatte.

Das ging eine kleine Weile. Dann kam eine Stimme in meinem Kopf dazu:

„Ich muss hia nur (Türziehen)… nä – Aber jez so, dann (Türdrücken)… wieso gehd das’n nich? – Häh? Doch gez, dann (Türziehen)… nee. Ma’ ich muss nur so, dann (Türziehen)… Hää? – Ah, unner der Fuusmatte is beschdimmd (Fußmatte anheben)… Quadsch… hier em ziehn’ dann is jut und ich kann (Türziehen)…manney. Wenn ich gez hia so vielleichdunnerderfuusmadde (Fußmatte anheben)…“

Dann eine zweite Stimme:

„Scheisse!“

„Neeein, isch muss nur hier so, dings (Türdrücken)…“

„Nein, Mann, die Tür is zu.“


„Jaja, aber mann muss nur hier so, drüggen un’ dann (Türdrücken)…wieso geddndasnichjeeds?“

„Nee, das geht nicht. Das klappt nicht. Hier stimmt irgendwas nicht.“


„Dooochgugma… dasgeinbroblemhia weil nuama hiasoundann, habich gleich, momento. (Türziehen/Türdrücken)“

„Scheiße, ich glaub diesma hast du echt Mist gebaut.“


„Meinse? Und wenn wir hia unner der Fuusmattte (Fußmatte anheben)…?

„Nein, Mann! Da ist nix unter der Scheißfußmatte! Hör mir jetzt gut zu - Du hast dich ausgesperrt und hast keinen Schlüssel!“

"Scheisse… dasjadoof.“


„JA!!“

„Hm… da müssn wir halt den Schlüssl von unner der Fusmadde nehmen (Fußmatte anheben)…“

„NEIN! Da ist kein Schlüssel! Da war nie einer. Du stehst nackt und besoffen vor deiner Wohnungstür!“

„(an sich runter guck) Schtimd… Scheise.“

„Ja, Scheiße! Was machen wir denn jetzt?“

„Dasjaheftigey…"


"Ja! Was machen wir denn jetzt?“


„... uh, da hab ich jetz kein bock drauw... beschäftige ich mischspäddermid... bin fiel zu bsoffen.“

„Was?“

„Muss ich mich ersma hinlegen, ersma schlafen. Am besden auffer Fuußmatte…ja genau, dasne gudeidee“

„NEIN! DAS GEHT JETZT NICHT! WACH AUF, MANN! DENK NACH, DENK NACH! DENK NAAAAACH!!!!“

„Scherei michnich an!“

Das ging dann noch eine Weile so weiter, aber schließlich kam ich dann doch noch zu dem Entschluss, dass sich auf der Fußmatte einkringeln und erst mal schön fluchtmäßig Bubu machen, mich wahrscheinlich nicht weiterbrächte. Ein Schlüsseldienst wäre rein technisch gesehen die beste Lösung gewesen, allerdings gab es da gleich mehrere Probleme.

Der ein oder andere kann sich vielleicht noch an den Werbespot erinnern, in dem eine Frau aus dem Meer stieg, zu einer Bar oder einem Geschäft ging und als sie zahlen sollte, sie einfach eine VISA Kreditkarte aus ihrem Badeanzug zog und diese auf den Tresen klatschte… Da, selbst wenn ich eine Kreditkarte gehabt hätte, es rein technisch gesehen nur eine Stelle gab, aus der ich eine Kreditkarte hätte ziehen können - und ich bezweifele, dass der Mitarbeiter vom Schlüsseldienst-Service diese kommentarlos akzeptiert hätte - fiel diese Option leider aus.

Davon abgesehen, wie hätte ich den Schlüsseldienst anrufen sollen? Eine geeingnete Stelle, aus der ich mein Handy hätte herausziehen können, hatte ich auch nicht. Es gab also nur die Möglichkeit bei einer meiner zwei Nachbarinnen zu klingeln, um zu fragen, ob ich wohl mal telefonieren könne. Das wäre allerdings a) sehr peinlich gewesen und b) die Vorstellung, nackt und stinkend neben dem Schlüsseldiensttypen zu warten, bis er mir dann Zutritt zu meiner Wohnung verschafft... ich weiß nicht, ich weiß nicht.

Es musste anders gehen. Und zwar mit Geduld und Gewalt. In meiner Wohnungstür sind neun DIN A5 große Kathedralenglasscheiben eingefasst. Ich entschied ich mich dafür, das Glas neben dem Türgriff einzuschlagen und so quasi in meine eigene Wohnung einzubrechen.
Das war der Plan.
Niemand würde jemals von dieser peinlichen Episode erfahren. Aber sofort tat sich das nächste Problem auf. Womit sollte ich die Scheibe einschlagen? Ich entschied mich für meinen linken Laufschuh. Ich stülpte ihn über die Hand. Ich sammelte und fokussierte meine Energie, um mich anschließend konzentriert zu entladen.
Ein einziger Schlag. Entschlossen. Fokussiert. Zum Ziel führend.
Ich entlud meine Energie, schlug gegen die Scheibe und - nichts passierte.
Noch mal. Sammeln. Konzentrieren. Energie bündeln. Nichts. Noch mal. Nichts. Nichts, gar nichts. Die verdammte Gummisohle meines Laufschuhs war derart gut gepolstert, dass die Scheibe vollkommen unbeeindruckt blieb. Hysterisch und verzweifelt wiederholte ich die Prozedur mehrfach, brach sie allerdings schlagartig ab, als mir plötzlich klar wurde, dass das Einzige, was ich erreichen würde, wäre, dass meine Nachbarin, aufgeschreckt durch das Hämmern an meiner Tür, nach dem Rechten sehen und mich nackt und nur mit einem Turnschuh auf meiner linken Hand bekleidet vorfände, wie ich wie ein Geisteskranker auf meine Tür einschlage. Ein Bild wie aus einem Fellini Film oder wie aus „Die Blechtrommel“.
Ich brauchte etwas Härteres. Etwas Ungummiertes – vielleicht im Keller? Nackt huschte ich durch das Treppenhaus in den Keller. Ich brauchte etwas Massives. Etwas aus Metall. Einen Hammer. Eine Axt. Eine Brechstange.
Ich fand eine Lackdose.
Eine Lackdose? Metall immerhin. Nackt und mit der Metalldose in der Hand wieder hochgehuscht. Das Ganze noch mal von vorne. Sammeln. Konzentrieren. Energie bündeln und explodieren. Nichts. NICHTS! Das Einzige, was ich erreichte, war eine Beule in der Lackdose. Waren die Scheiben in meiner Tür in Wahrheit aus Panzerglas? Wer hatte hier vorher gewohnt? Was sollte ich jetzt tun?

„Es gibt noch eine Möglichkeit.“

„Nein. Es muss irgendwie anders gehen.“

„Es geht nicht anders.“

„Bitte nicht. Irgendeine andere Möglichkeit muss es doch geben.“

„Gibt es aber nicht. Und jetzt reiß dich zusammen! Reiß dich zusammen! REIß DICH ZUSAMMEN!“

Sich nackt und betrunken auszusperren, ist ja an sich schon scheiße. Aber nackt und betrunken das tun zu müssen, gegen das ich mich verzeifelt sträubte...

Ich habe Katzen – und wenn ich nicht da bin, dann ist meine Nachbarin, die im Parterre wohnt so nett und füttert sie für mich. Damit sie das tun kann, habe ich ihr einen Schlüssel meiner Wohnung gegeben. Zu diesem Zeitpunkt wohnte ich seit ungefähr einem halben Jahr in meiner Wohnung. Und bin mir relativ sicher, dass meine freundliche Nachbarin bis dahin einen zumindest halbwegs patenten Eindruck von mir hatte. Und diesen Eindruck sollte ich jetzt nicht nur beschädigen, sondern in kleine Stücke zu zerreissen und auf das, was übrig blieb, lachend urinieren, in dem ich, die Fußmatte vor mein Geschlecht haltend bei ihr klingele und ihr erklären, dass mir da ein kleines Maleur passiert sei und ob sie mir bitte den Schlüssel für meine Wohnung geben könne.

„Du hat noch Wäsche im Keller.“

Ich hatte noch Wäsche im Keller. Wäsche. Anziehsachen! Kleidung, die mich vor meiner größten Peinlichkeit retten könnte. Ich also wieder nackt in den Keller gehuscht und ja, ich hatte noch Wäsche auf der Leine.

„Yeah!“

Aber nur Oberteile und Socken.
Oberteile und Socken? Das ist ja noch schlimmer, als gar nichts an. Sollte ich wie einer von den Red Hot Chilli Peppers mit einer Socke über meinem Glied meiner Nachbarin vor die Augen treten? An einem Sonntagmorgen, um 9:00 Uhr? Das musste doch irgendwie anders gehen. Waren das wirklich nur Oberteile und Socken? Ja. Immerhin schwarze Socken. Aber das brachte mich auch nicht wirklich weiter. Was war denn das? Ein Longsleeve. Ein rotes Longsleeve. Damit müßte man doch irgendwas... Ich versuchte mir das Longsleeve, wie eine Windel umzuwickeln, was aber nicht gelang. Und was wäre, wenn ich... Ich zog mir ein T-Shirt an, Socken – an den Füßen – und dann stieg ich in das Longsleeve rein. Das untere Ende nach oben, die Beine in die Ärmel und – naja – das Loch für den Kopf so zurechtgezupft, dass es eher meinen Hintern, als meinen Schritt freigibt. Auf einen flüchtigen Blick würde es so aussehen, als ob ich eine ausgeleierte, Leggins tragen würde. Ich also aus Keller raus und mich vor die Tür meiner Nachbarin positioniert. Es verging eine Ewigkeit, bevor ich die Kraft fand zu klingeln.

„Komm schon. Du kannst das!“

„Nein. Ich will nicht!“

„Du musst!“

„Ich weiß.“

Sammeln. Konzentrieren. Energie bündeln. Ding Dong.

Meine Nachbarin öffnete die Tür.

Ich (total überdreht): „Guten Morgen. Mensch, stellen Sie sich vor. Ich hab mich ausgesperrt. Könnte ich wohl von Ihnen meinen Schlüssel haben?


Sie: „Was? Aber ja, natürlich. Dafür ist ja dann auch gut, dass ich ihren Schlüssel habe.“

Ich: „Jaja, genau.“

Sie: „Hier, bitte.“


Ich: „Danke. Tschühüss.

Sie: „Tschüss.“

Tür zu. Erleichtert und unendlich beschämt ging ich die Treppe hoch. Hat sie was gemerkt? Egal. Hauptsache jetzt endlich wieder in meine Wohnung und schlafen. Die Schande wegschlafen. Kopfschüttelnd und mit dem festen Vorsatz, weniger Alkohol zu trinken, steckte ich den Schlüssel ins Schloss und musste feststellen, DASS ER SICH KEINEN SCHEIß ZENTIMETER BEWEGEN LIEß. UND WARUM? WEIL MEIN SCHEIß SCHLÜSSEL NOCH VON INNEN IM SCHLOSS STECKTE!!!

Die ganze peinliche Aktion mit meiner Nachbarin war vollkommen umsonst.

Wenn ich vorher noch nicht verzweifelt war, dann spätestens jetzt. Ich wollte in meine Wohnung. Ich musste in meine Wohnung. Es musste doch irgendwie möglich sein. Ich sah mir das Glas noch mal genau an. Und jetzt viel mir auf, dass die renitente Scheibe irgendwie anders war, als die übrigen. Sie hatte eine andere Textur und schien dicker zu sein. Wahrscheinlich hatte sich mein Vormieter ebenfalls ausgesperrt, hat das Glas eingeschlagen und später ein anderes wieder eingesetzt.

Ob er dabei auch nackt gewesen ist?

Das hieß also, dass die anderen Scheiben vielleicht nicht aus unverwüstlichem Panzerglas waren. Ich schaute mir die über der ausgewechselten Superscheibe an. Hm. Vorsichtig tastete ich das Glas ab. Es war von der Innenseite wahrscheinlich nur mit schmalen Holzleisten eingefasst. Wenn ich am Rand gleichmäßig drücken würde, dann könnte ich es schaffen, dass der Rahmen nachgibt und die Scheibe am Stück in die Wohnung fällt. Wahrscheinlich würde sie dabei sogar ganz bleiben. Ich bin ein Genie.

Vorsichtig drückte ich gegen das Glas, etwas mehr, etwas mehr, etwas – dann splitterte das Glas und schlitzte mir meinen Daumen längseitig auf. Blut tropfte in dicken, schweren Tropfen auf den Boden. Meine Katzen miauten. Aber scheißegal. Ich kam an die Türklinke und brach in meine eigene Wohnung ein. Mit einer Mischung aus Triumph und Scham wickelte ich mir meinen Daumen in ein Geschirrtuch und schwor mir nie wieder Alkohol zu trinken.

Jedenfalls nicht mehr soviel.

Mittwoch, 27. Mai 2009

Außergeistige Erfahrung oder Das Glück liegt nicht unter der Fußmatte Teil 1

Es war ein rauschendes Fest. Genau genommen, stimmt das nicht. Es war kein Fest. Es war eine Tour durch verschiedene Kneipen und Clubs und Absturzschuppen. Anlass war der Ausstand meines guten Freundes Herrn K.
Herr K. und ich kannten uns zu diesem Zeitpunkt erst seit ungefähr einem halben Jahr, aber wir passten wie Arsch auf Eimer, wie man so sagt. Bis auf unseren Chef Herr R. (gilt nicht), dem schwulen Kollegen Herr L. (gilt erst recht nicht) und dem weiterem schwulen Kollegen Herr Z. (der, wie sich herausstellte, gar nicht schwul war) stellten wir sozusagen den kompletten männlichen Bestand. So etwas verbindet, so etwas schafft Gemeinsamkeiten.
Pat und Patachon sollten bald unsere Spitznamen werden.
Unsere gemeinsame Zeit war von vornherein begrenzt. Herr K. machte in der juristischen Abteilung unserer Redaktion ein Praktikum. Sein Aufenthalt danach war unsicher. Düsseldorf vielleicht, Belgien vielleicht (Belgien?). Das einzig Sichere war, dass dieser Abend gebührend gefeiert werden musste. Gebührend heißt natürlich: Saufen bis in den frühen Morgen und sich amüsieren, ob es Spaß macht oder nicht. Umso erstaunter war ich, als Herr K. gegen 22.00 Uhr plötzlich verkündete, dass er jetzt gehen werde, was heißt: werde? Er müsse! Meine Einwände, dass er das doch nicht machen könne, dass das doch sein Abend sei und so weiter und so fort, hebelte er mit dem Argument, dass er sich noch mit einer Dame treffe, wirksam aus. „Ach so, jaja, na Sie sind mir ja einer, na dafür hab ich natürlich Verständnis.“
Zu diesem Zeitpunkt war ich zwar enttäuscht, allerdings auch nicht mehr ganz nüchtern und wenn ich alkoholisiert bin, neige ich zu extremer Großherzigkeit und habe alle lieb. Harmoniesucht nimmt meinen Körper und Geist in Besitz. Ab da nahm das Unglück seinen Lauf. Im Nachhinein kommentierte Herr K. die Ereignisse damit, dass, als er mich Wodka Red Bull (Teufelzeug) habe trinken sehen, er sich schon gedacht habe, dass noch „irgendetwas“ passieren werde. Irgendetwas – ja so kann man es auch nennen.

Pikante Randbemerkung: Die „Dame“, mit der mein lieber Freund Herr K. sich da traf, war die Frau, die später meine „Dame“ werden sollte und noch immer ist. Pat und Patachon.

Die ganze feierwütige Gesellschaft löste sich in mir-nichts-dir-nichts auf. Übrig blieben nur noch mein heterosexueller schwuler Kollege Herr Z. und ich. Gut, das stellte für mich kein größeres Problem dar, schließlich reicht mir beim Feiern letzten Endes sogar meine eigene Gesellschaft und die der Nachtschwärmer um mich herum, dieses Mal hatte ich also einen Kompagnon und die Nacht war noch jung.
Ich weiß noch, dass wir als nächstes einen Club ansteuerten, der eigentlich großer Mist war. Hingegangen sind wir, weil meine gute Freundin Fräulein S. an diesem Abend hinter der Theke stand. Das schien an diesem Abend die richtige Entscheidung zu sein, denn sie dankte unseren Besuch damit, dass sie uns konsequent abfüllte.
Ich kann mich ebenfalls noch daran erinnern, dass wir ca. 1 Stunde später in einen Laden weiter gezogen sind, den Herr Z. mir unbedingt zeigen wollte. Dann schneite Fräulein S. herein. In ihrer Bar war nichts los und deswegen konnte sie bereits Feierabend machen. Halali. Soweit so gut.
Sicher weiß ich noch, dass wir dann weiter gezogen sind und zwar zu dem Schuppen, der dann die letzte Station der Nacht werden sollte. Allerdings kann ich mich nicht mehr so richtig daran erinnern, dass wir unterwegs irgendeinen Bekannten von Fräulein S. getroffen haben und mit ihm ein Pläuschchen hielten. Fräulein S. besteht allerdings darauf, dass dies geschehen sei und so will ich das akzeptieren. Fräulein S. entschied sich anschließend, uns nicht weiter zu begleiten, wahrscheinlich war das auch besser so. Zu dem Laden gibt es nicht viel zu sagen. Anfangs war er leer, dann wurde es immer voller, aber so verhält es sich ja meistens. Wir tranken und tanzten und tanzten und tranken. In den frühen Morgenstunden verließen wir schweißnass das Etablissement. Ich war zufrieden mit mir. Ich hatte den Ausstand von Herrn K. gebührend für uns beide gefeiert. Es gelang mir noch, die richtige Straßenbahn nach Hause zu erwischen.

Früher habe ich es immer gehasst, nach einer durchzechten Nacht früh morgens in der Bahn zwischen all den ausgeschlafenen, frisch geduschten und vor allen Dingen nüchternen Leuten zu sitzen. Je fitter die anderen waren, desto fertiger und schmieriger kam ich mich vor. Ich schämte mich geradezu für meinen von einem Lotterleben gezeichneten Zustand. Als ich ca. zwei Monate vorher Fräulein S. von meiner diesbezüglichen Befangenheit erzählte, lachte sie mich an und prahlte damit, dass dies bei ihr genau anderes herum sei. Sie schaue immer voller betrunkener Selbstzufriedenheit auf das nüchterne Volk geradezu herab und sei höchst zufrieden damit, dass sie eine tolle Nacht hinter sich habe und die anderen Leute ein blöder Tag voller Arbeit im Büro erwarte. Wenn sie besonders gutlaunig und in Gesellschaft sei, könne es sogar vorkommen, dass sie lauthals „Ihr fahrt ins Büro. Ihr fahrt ins Büro. Ihr fahrt, ihr fahrt, ihr fahrt ins Büro“ sänge. Fräulein S. Sicht auf dieses Thema beeindruckte und ja, inspirierte mich zutiefst. Ich beschloss, es mir sofort zu Eigen zu machen. Monate später würde dieses neu erworbene betrunkene Selbstbewusstsein allerdings dadurch getrübt, dass mir klar wurde, dass nur die wenigsten Leute an einem Samstag- oder einem Sonntagmorgen ins Büro fahren. Aber an diesem Morgen brachte mich die Ihr-fahrt-ins-Büro-Haltung zufrieden und sicher nach Hause.

Mein Schlafzimmer hat die Eigenschaft, im Winter die Temperatur eines altmodischen mit Eis gefüllten Kompressenbeutels anzunehmen (eine ungeheuer fantastische Erfindung, die, auf die versoffene Murmel gelegt, einem nicht nur sofortige Erleichterung verschafft, sondern einem ebenfalls das Gefühl gibt, seinen Kater ebenso stilvoll, wie man es in alten amerikanischen Komödien mit Gary Grant gesehen hat, auszukurieren). Weil es aber Sommer war, entschied mein Schlafzimmer sich dazu, die Temperatur, die außerhalb meiner Wohnung herrschte, nicht nur anzunehmen, nein, sondern sie sogar noch zu toppen. Das Klügste schien mir daher, mich nackt auf mein Bett zu legen. Ich sollte meine Entscheidung noch bitterlich bereuen.

Das Nächste, an das ich mich erinnern kann, ist, dass ich nackt vor meiner Wohnungstür stand.


Fortsetzung folgt.

Donnerstag, 21. Mai 2009

Neulich in der Straßenbahn

Die Bahn kommt mit fünfminütiger Verspätung; während der Fahrt hält sie alle naselang und hängt dem ursprünglichen Fahrplan damit immer mehr hinterher.

Dann eine Durchsage des Bahnfahrers:

"Liebe Fahrgäste, entschuldigen Sie bitte das außerplanmäßge Halten zwischen den Haltestellen, aber das von der KVB zur Verfügung gestellte Arbeitsgerät gehört eigentlich auf den Müll!"

Freitag, 20. Februar 2009

Obacht vor der Leere

Ich bin jetzt ja langsam in einem gewissem Alter (34 - geht noch), in dem viele viele viele Menschen Veränderungen an sich wahrnehmen. Man wird zum Beispiel von jungen Mitmenschen trotz wiederholten Duzens stramm weitergesiezt (Kreisch!) oder die Haare auf dem Kopf werden weniger, zumindest bei den Herren. Bei mir war es, wie so vieles, anders. Ich wusste schon mit zarten 18 Jahren, dass alsbald meine Pickel weg sind, meine lockigen, schwarzen Haare ebenfalls "fuck off" zu mir sagen werden. Dementsprechend ist dieses Thema für mich verarbeitet und zwar schon ewig. Davon abgesehen, kann ich ohne jede - oder zumindest nur wenig - Eitelkeit sagen, dass mir meine Glatze gut steht. Eigentlich kann ich dem lieben Gott nur auf Knien für den Verlust meines Haares danken, denn wenn ich mir jetzt so alte alte, ganz alte Fotos anschaue, auf denen ich noch eine dichtbehaarte Murmel spazieren trage, so muss ich leider zugeben, dass ich mit Haaren echt scheiße ausgesehen habe. Aber voll! Vorteil an der ganzen Nummer ist, dass jetzt so langsam aber sicher sämtlichen meiner männlichen Freunde und Bekannten ebenfalls die Haare ausfallen. Und genau für diese Jungs ist es nicht einfach. Überhaupt nicht! Da sie Zeit ihres Lebens immer mit einem ordentlichem Haarwuchs ausgestattet waren, ist das plötzliche Verlieren der Haare, die beginnende Mönchstonsur, der angebliche Wirbel, der einfach zu viel Licht auf die Kopfhaut fallen lässt (Jaja, Wirbel), die sich immer tiefer hineinfräsenden Geheimratsecken (die gnädigste Variante des Haarausfalls), der immer breiter werdende Mittelscheitel nur kaum bis gar nicht zu ertragen. Jahrzente der Emanzipationsbewegung haben dazu geführt, dass Männer jetzt ebenfalls Essstörungen haben, sich die Schultern waxen lassen, ins Fitnessstudio rennen, Kalorien zählen, radderdoll (geiles Wort) auf Shoppingexzesse sind, sich die Zähne bleichen lassen und und und. Ich beobachte da immer die gleichen Reaktionen auf den beginnenden Verlust der langen Hornfäden. Zuerst werden Mützen wesentlich häufiger als Modeaccessories genutzt, die weniger werdenden Haare werden total crazy strubbelig getragen oder auch wasserstoffblondiert (diese Phase habe ich ebenfalls hinter mir - na ja, auf der hellen Kopfhaut ist der Kontrast bei blonden Haaren nicht so groß wie bei dunklen. Die kahler werdenden Stellen lassen sich so leichter vertuschen. Außerdem sah ich damit ein bisschen aus wie Bruce Willis in "Das fünfte Element"...dachte ich, beziehungsweise hoffte ich.) Erstaunlicher ist aber die mit der Ausdünnung der Haare verbundende Dünnhäutigkeit des Gemüts. Anstatt drüber zu stehen, oder zumindest so zu tun, als ob man drüber stünde, reagieren auf die beginnende Kahlköpfigkeit angesprochene Männer immer offensichtlich getroffen, bestenfalls versuchen sie das Thema wegzugrummeln.
"Ey, bei Dir guckt aber am Hinterkopf auch schon ganz schön das Knie durch, oder?"
"Was?...ja, naja. Komm ey...lass mich damit bloß in Ruhe...grummel grummel."
Ich frohlocke dann innerlich immer und denke mir dann: Jaja, mein Freund. Ich hab' die Scheiße schon hinter mir. 99% meines Freundeskreises kennt mich überhaupt nicht mehr mit Haaren. Bei mir ist das quasi Teil meines Images, aber bei Dir gehts jetzt erst los. Krchrchrchrchkicherglucks.
Mit der Häme des Armen, der den Reichen genüsslich dabei beobachtet, wie er, weil er all sein Geld verloren hat, jetzt neben ihm in der Mietkaserne einziehen muss, beobachte ich den coolen, blonden Surferdude (ich habe keinen einzigen Surferkumpel, aber es ist halt ein schönes Bild), der jetzt jeden Morgen viel Zeit vor dem Spiegel damit verbringt, seinen kreisrunden Haarausfall durch geschicktes Zukämmen auszugleichen. Wo das endet, ist klar: Sardine oder Schnecke.
Die Sardine und die Schnecke sind zwei mittlerweile glücklicherweise aus der Mode gekommenen Variationen, um mit den noch verbliebenen Haaren vom Schädelrand die große freie und fleischige Stelle in der Mitte des Schädels zu verdecken. Bei beiden Varianten läßt sich der Träger eine Seite deutlich länger wachsen. Bei der Sardine klatscht er diese dann unter Zuhilfenahme von viel viel viel Pomade einmal von links nach rechts oder anders herum, bei der Schnecke handelt es sich, um die kaum noch in ihrer Armseeligkeit und ihrem ungelenken Versuch den Haarausfall zu kaschieren großen Schwester der Sardine. Die Haare vom Schädelrand sind deutlich länger als bei ihrer Anfänger-Variante, der Sardine. Rüberklatschen ist für Pussys, mögen sich die Schneckenträger denken und drapieren indessen ihr Haar kringelig und eingerollt wie ein Schneckenhaus auf ihrem Haupt.
Die Motivation für dieses Verhalten muss der tatsächliche Glaube sein, dass man so nicht sieht, dass ihnen die Haare ausgefallen sind.
Das ist wahnwitzig, aber so ist es wohl.
Außerdem stelle ich mir immer vor, wie das Haar bei den Sardinen- und Schneckenträgern, wenn es unter der Dusche nass geworden ist, auf einer Seite lang und fies herunter hängt.
Dann stell ich mir immer vor, wie es auch im trockenem Zustand den ihm zugedachten Platz auf dem Schädel verliert und wirr herumwedelt, wenn der Träger sich größeren, körperlichen Aktivitäten aussetzt, wie zum Beispiel Sex.
Zum Glück kann man wahrscheinlich davon ausgehen, dass das Tragen einer Sardine oder einer Schnecke der Entscheidung zu einem Leben im Zölibat gleich kommt.
Das zumindest will ich hoffen.
Bei Frauen verhält es sich mit dem älter werden anders. Und ich rede hier nicht von irgendwelchen körperlichen Verfallserscheinungen. Drauf geschissen, wenn ich das mal so sagen darf.
Nein, was mich jedesmal wieder total iritiert, ist die Tatsache, dass wenn Frauen zu Müttern werden, sich etwas Entscheidendes bei ihnen verändert.
Grundsätzlich begrüße ich es, wenn man Kinder bekommt, da Kinder ja a) prinzipiell schon mal 'ne gute Sache sind. b) Der Drang nach - ja, sagen wir es ruhig - Fortpflanzung, neben der Menstration die natürlichste Sache der Welt ist. c) Irgendjemand schließlich die Rente zahlen muss und d) man mit Kindern einfach so viele, tolle Sachen machen kann. Schließlich sind sie, sofern es die Eigenen sind, einem total ausgeliefert und ich meine das nicht in irgend einer ungesetzlichen Art und Weise, die die Leser, der schon lange und zu Recht eingestellten FKK-Magazine mit so blumigen Namen, wie "Sonnenfreunde", "Der Naturist" oder "Jung & Frei" eventuell gerade aufhorchen ließ, nein - ich meine die vollkommen legale und gesellschaftlich geduldete, ja gern gesehende Projektion, der eigenen, niemals erreichten Lebensziele auf die eigenene Brut.
"Ich melde dich in der Musikschule an und dann wirst du Gitarre lernen, E-Gitarre."
"Aber Papa, ich möchte viel lieber Klavierunterricht haben..."
"Halt's Maul in spätestens 13 Wochen will ich dass Solo von "Master of Puppets" hören und ich meine nicht von CD, Männeken!"
Das ist toll. Die Kinder als Fortsetzung des eigenen Lebens, Schaffens und Wirkens.
Ich finde es auch geil, wenn man sein Kind genau so nennt, wie man selbst heißt, nur mit dem Fortsatz "junior", oder wenn es schon die zweite Fortsetzung ist, dann "der Dritte".
Geil.
Geht leider meines Wissens nur bei Jungen.
Wieder ein Grund mehr, darauf zu hoffen, dass man einen Jungen bekommt.
Es geht dabei übrigens wesentlich seltener um irgendwelche alten patriachischen Muster, sondern viel mehr um das Wissen, dass man als Mann sowieso immer schlechtere Karten hat. Die Frau lässt das Kind in sich heranwachsen, gebärt und stillt es. Der Mann weiß instinktiv, dass er da erst mal keine Schnitte hat. Wenn das Kind dann auch noch ein Mädchen wird...ja wozu wird man dann überhaupt noch gebraucht. (Ich habe es übrigens vermieden, in dem vorangegangenem Satz "man" mit einem zweiten "n" in Klammern zu schreiben. Es gibt kaum ein abgehangerenes Wortspiel, wenn es überhaupt diese Bezeichnung verdient hat, aber das nur am Rande.)
Aber egal, wie großartig Kinder auch sein mögen, ein guter Freund von mir sagt immer: "Kinder sind fast wie kleine Menschen.", kann ich trotzdem einfach nicht begreifen, warum mit den Müttern das passiert, was mit ihnen passiert, wenn sie Mütter werden. Jede Frau, die ich kenne, JEDE, egal wie toll, cool, stylisch, lässig, stark, eigenständig, emanzipiert, kreativ, künstlerisch, selbstverwirklichend sie auch sein möge, tut es.
Wir leben in einer modernen und vernetzten Welt. Internetforen wie StudiVZ, MySpace, Facebook, Xing, StayFriends und was weiß ich, was es nicht noch alles gibt, sind mittlerweile Standard und nahezu jeder ist irgendwo Mitglied. Und was geschieht immer und immer wieder? Frischgebackene Mütter tauschen ihr Profilbild aus und ersetzen es gegen eines, auf dem sie mit ihrem Kind zu sehen sind.
Warum?
Ich bin doch auf dem Profil der Frau, oder?
Oder bin ich auf dem Profil der Mutter?
Sind Frauen, wenn sie zu Müttern geworden sind automatisch nur noch Mütter?
Ist das die Vorstufe zu einem Klingelschild auf dem steht: "Hier leben, lachen, streiten und versöhnen sich wieder die Dingsbumsens"?
Dieser Eindruck drängt sich ja geradezu auf.
Gibt es sie jetzt nicht mehr losgelöst, diese Frauen?
Existieren sie nur noch als Mutter-Kind-Einheit?
Klar, sie sind stolz auf ihren Nachwuchs, aber das sind Väter auch und trotzdem bleiben deren Profilbilder unverändert. Erst später, wenn die Ehe in die Brüche gegangen ist, gibt sich der Mann gerne als Vater und veröffentlicht Fotos, die ihn mit seinem Kind zeigen. Frauen finden das dann gut und süß. Das ist die konsequente Fortsetzung des Schwarzweiß-Posters mit dem Muskelmann, der ein Baby in seinen starken Armen hält, dass sie mit 16 Jahren an der Wand ihres Zimmers hängen hatten. Das hing direkt neben dem Poster von dem tödlich verwundeten Soldaten, der sterbend stürzt, die Arme hochreißt und oben drüber in fetten, schwarzen Lettern "WHY?" steht.
Die Frage bleibt aber, warum Frauen das machen. Warum präsentieren sie sich auf Portalen und Foren, die von aller Öffentlichkeit eingesehen werden können, also auch von Geschäftspartnern oder eventuellen Chefs in spe, als Muttertier und offenbar ausschließlich als solches? In dem Feld "Interessen", in dem vorher Dinge wie: Yoga, Thailand, Kochen, Fotografieren, oder Ägyptologie standen, steht jetzt an erster Stelle: Meine Tochter Lena, oder Paula, oder Cosma, oder Mika.
Klar steht das Kind an oberster Stelle, aber entschuldigen Sie bitte, meine Dame: Das versteht sich doch von selbst.
Ganz besonders schlimm wird es, wenn es sich bei den Müttern um alleinerziehende Mütter handelt. Die komplette Existenz wird total in den Dienst des Kindes gestellt. Ich weiß da aus eigener Erfahrung zu berichten, den meine Mutter war selbst eine Alleinerziehende. Als Kind fand ich es super und hab' es auch reichlich ausgenutzt. Manchmal warfen Freundinnen meiner Mutter vor, mich zu sehr zu verwöhnen, beziehungsweise mir alles in den Arsch zu schieben. Und ich muss sagen - stimmt schon. Sie bemühte sich halt mit aller Kraft, mir den fehlenden Vater zu ersetzen, was bedingt auch funktioniert hat. Natürlich gab es Momente, in denen ich sehr bedauert habe, keinen Papa zu haben, mit dem man Jungszeug machen kann.
Ich kann mich zwar nicht mehr daran erinnern, aber einmal muss ich wohl ein bisschen rumgejammert haben, dass ich keinen Vater habe. Allerdings kann ich mich noch gut an das erinnern, was meine Mutter darauf hin zu mir sagte.
"Ja, das tut mir wirklich leid, mein Sohn. Ich weiß, dass das schwer für Dich ist...aber schau Dir mal die Väter Deiner Freunde an, ist da einer bei, den Du gerne als Vater hättest?"
"Nein!"

Meine Sehnsucht nach einem männlichen Rollenvorbild war wie weggeblasen.

Tja, so sind sie die Mütter. Das Kind ist das Wichtigste und das muss wohl auch ein Bisschen so sein.
Die Kehrseite dieser Medallie ist allerdings die drohende Depression, wenn das Kind aus dem Haus ist.
Ich bin 1995 ausgezogen, hatte zu diesem Zeitpunkt eine ganz schwere Zeit mit meiner Mutter, beziehungsweise sie mit mir. Ich war gerade 19 geworden, meine Pubertät war immer noch im vollen Gange und aufgrund eines totalen Hormonkrieges in meinem Körper (Nebeneffekt Haare, wir erinnern uns) war ich wohl ziemlich unausstehlich. Jahre später, meine Pubertät war inzwischen vollständig abgeklungen, veriet sie mir, dass sie nach meinem Auszug für einige Monate ein tiefes Loch empfunden hat, wenn sie nach der Arbeit nach Hause kam und eine leere Wohnung vorfand.

Also liebe Mütter, die Ihr Euer Profilbild gegen eines, dass Euch mit Eurem Nachwuchs zeigt, austauscht - Obacht.
Irgendwann ist das Kind aus dem Hause und weil Ihr vor vielen Jahren bei Euern Interessen alles weggelöscht und gegen Euer Kind ausgetauscht habt, ist dann vielleicht nichts mehr übrig.


Ebenfalls im Jahr 1995 brachte meine Mutter allerdings auch eine wirklich schräge Aktion.
Sie hatte gerade kein aktuelles Foto von mir, Kinder verändern sich in dem Alter ja so wahnsinnig schnell, wollte aber eins in ihrem Portemonnaie mit sich führen, falls mal jemand kommt und fragt: "Wie geht's denn dem Deniz so? Und wie sieht er überhaupt aus?"
In dem Jahr 1995 hatte der italienische DJ Robert Miles gerade mit "Children", einem kommerzig-trancigem-soft-Tekno-Track, einen großen Hit und war auf dem Zenith seines Erfolges. In irgend einer Illustrierten entdeckte meine Mutter ein kleines Foto von ihm, auf dem er, wie sie meinte, genau so ausehen würde wie ich seinerzeit. Ohne viel Federlesens drum zu machen, schnitt sie es aus und steckte es in ihr Portemonnaie und wenn jemand wissen wollte, wie ich denn so aussehen würde, zeigte sie ihm das Foto von Robert Miles.
Hätte es damals schon das Internet für Hans und Franz gegeben, hätte sie das Bild womöglich bei "Interessen" gepostet.

Montag, 16. Februar 2009

Der Blinde mit den nassen Augen

Ich habe kein Auto.
Eigentlich habe ich kein Auto mehr.
Als ich nach Köln gezogen bin, hat sich die Notwendigkeit eines eigenen Wagens relativ schnell in Luft relativiert (relativ relativiert HAHA!).
In Köln kriegt man a) nirgendwo einen Parkplatz und wenn man b) doch einen bekommt, dann sind die Gebühren für die Parkzeit derart astronomisch hoch, dass man auch direkt Taxi hätte fahren können.
c) Außerdem ist Auto fahren in Köln, speziell für Zugezogene, oder Imis , wie man sie hier nennt schwierig, nervig, ärgerlich und noch viel Schlimmeres. Imis steht für Imitierende, also die unnachahmliche, kölsche Lebensart nachahmen (unnachahmlich nachahmen HAHAHA).
Weil c1) man nirgendwo links abbiegen kann. NIRGENDWO. Kilometerlange Umwege, dekadenter und umweltzerstörender Spritverbrauch und das bei den heutigen Preisen, beziehungsweise dem heutigen Stand der Umwelt. Also dem katastrophalem Stand unseres Planeten. Man ist ja quasi schon als Beifahrer mit einer nie mehr zu rehabilitierenden Schuld ausgestattet. Der ökologischge Fußabdruck eines jeden Autofahrers ist ja sozusagen nie mehr wieder gut zu machen. Das wissen wir, weil uns uns Leute wie Al Gore, Brad Pitt, seine Alte, der Clooney George und andere superreiche Mega Jetsetter höflich und pädagogisch korrekt darüber in Magazinen wie Vanity Fair informieren. Der geil aussehende Clooney George sieht geil aus, trägt nur geilsten Zwirn, macht nur politisch korrekte Dinge, vögelt geil aussehende Weiber (obwohl seine Freundinnen nicht so geil aussehen, wie es sich für jemanden seines optischen Kalibers eigentlich gehört) und nachdem er gerade wieder politisch korrekt eine weggenudelt hat, trinkt er seinen Nespresso, der aus einer kleinen Alukapsel gebrüht oder geschossen oder beides worden ist. Ob der Kaffe in den Nespressoalukapseln wohl Fair Trade ist?
Bei aller Sympathie und Neid, die ich dem Clooney George entgegenbringe (wenn ich groß bin, will ich sein wie er), glaube ich, dass der ökologischge Fußabdruck meiner Nachbarin (mitte fünfzig, sieht nicht so geil aus wie die Alte von Brad Pitt, Bahnfahrerin, Katzenbesitzerin und einfach: nette Nachbarin) um ein Vielfaches kleiner ist, als der von Clooney und seiner Posse.

c2) Alle Autofahrer in Köln sind entweder Drängler, die einen die ganze Zeit mit ihren Prollschüsseln auf deren Heckscheibe in gothischen Lettern die Worte "Kölsch Bloot" prangen an der hinteren Stossstange kleben, als wollten sie auf Teufel komm raus so platzsparend wie es geht über die Strassen gleiten und deswegen keinen Zentimeter Asphalt ungenutzt lassen und erst recht nicht den hinter dem Vordermann (mir), oder c3) es sind totale Schleicher, die in der fuffziger Zone mit 48 KmH dahinkriechen und siechen. Die machen einfach keinen Paltz, egal wie sehr man ihnen am Autoarsch klebt und sind noch schlimmer als die Kölsch Bloot Prolls.
c4) Kommentare über die Fußganger in Köln verkneife ich mir, weil man mich sonst für einen alten Meckersack halten könnte (bin erst 34), der zum Lachen in den Keller geht (hab diesen Spruch noch nie verstanden. Ist doch egal, wo einer lacht. Hauptsache ist doch, dass er lacht).

Wegen a), b), c), c1-3 fahre ich also in Köln kein Auto.
Ich hab's verkauft.
Meinen guten, alten Wagen.
Verkauft.
Mein damaliges, klammes Konto (eigentlich war es nicht mehr klamm, sondern so nass, wie es irgendwie nur geht und noch mehr) wollte ich mit dem Erlös aus dem Verkauf, wenn schon nicht trocken legen, so doch in einen klammen und erträglichen Zustand versetzen.
1500 Schleifen, Möppen, Kröten, Scheine, Taler, Euronen sollte mein Wagen ungefähr auf die wirtschaftliche Schwacke Waage bringen.
Bis zum Verkauf nur noch eine letzte Fahrt.
Eine würdige Fahrt.
Ein guter Abgang für den Wagen und mich.
Für uns.

Zum Metallica Konzert nach Holland, Arnhem.
Im Jahre 2006 des Herrn Hetfield.
Ich war heiß auf das Konzert wie Frittenfett.
Als ich mit 15 Metallica zum ersten Mal live gesehen habe, habe ich mir geschworen immer zu ihren Konzerten zu gehen.

Bis auf Rock am Ring 1998, wo sie den Headliner gegeben haben, das Metallica und Symphonie Konzert in Berlin 1999, bei dem ich fiebrig zu Hause danieder lag, und einem Spezialkonzert in Hamburg in 1997 (glaub ich), konnte ich das Versprechen meines Jugendlichen Ichs immer erfüllen.
Ich befand mich also auf der letzten Fahrt mit meinem PKW, die Sonne schien, es war Sommer, Fenster auf, Musik volle Pulle laut und ich in freudigster Erwartung und Voreuphorie, da passierte es plötzlich:
Die Spur auf der ich fuhr war plötzlich zu Ende.
Rot-Weiße Verkehrsbauarbeitenpöller rasten auf mich zu, beziehungsweise ich auf sie.

Opel Corsa 1.0.
Tempo 160.
Vollbremsung.

Nichts passiert.
Yeah.

Nur fuhr der Wagen sich plötzlich so komisch und klang auch gar nicht gut.
Mehr als 100 KmH wollten auch nicht mehr erreicht werden, egal wie Heavy Metal-mäßig ich das Pedal to the Metal trat (Muhuhuahahaha).
Egal. Wird schon nichts Schlimmes sein.
Der Wagen muss sich nur erholen, oder so.
Erst mal zum Konzert jetzt.

Während ich mich in Arnhem mit meinem blöden Routenplanerausdruck zu orientieren und den Weg zum Stadion suchte, erblickte ich am Strassenrand ein großes, gelbes Verkehrsschild, auf dem in schwarzer Schrift: METALLICA stand. Daneben ein Pfeil der einem die Richtung zum Konzert wies.

Wenn sie für einen Verkehrsschilder aufbauen, dann hat man es geschafft.

Das Konzert war, wie zu erwarten - sensationell, mein Damen und Herren.
Wenn es nicht so gerockt hätte, ich hätte weinen müssen.

Nachts dann wieder zurück.
Mein Wagen fuhr immer noch so komisch, klang immer noch komisch und fuhr immer noch unkomisch langsame 100 KmH trotz Pedal to the Metal.
Zurück in Köln ließ ich das gute Stück (Monate später) untersuchen.

"Tja Herr Plattner, Das ist leider eine Bruch der Vorderachse. Was haben sie denn damit gemacht?"

"Jaja, was kost das denn?"

"So ca. 1300 Euro wird's schon kosten, plus Kostenvorschlag von ca. na sagen wir mal 400 Euro."

"Hmmmmm. Was wär' denn der Wagen wert, wenn die Achse in Ordnung wär'?" (doppelter Konjunktiv)

"Knapp 1500."

Das Ende vom Lied war, dass ich den Wagen für 300 Euro verkloppt habe.

Mein Konto fing bereits an, vor lauter Nässe wahnsinnig zu werden. Nachts rief es nach mir und zog mich in sein feuchtes Grab. Es schickte seine Häscher in Form von Mahnungen und Zwangsvollstreckungen aus. Rückblickend weiß ich nicht mehr, wie ich den nassen und modrigen Händen meines bis zum totalen Anschlag voll- beziehungsweise blankgeballerten Kontos entkam.

Seitdem bin ich Bahnfahrer.
Und wegen a), b), c) und c1-3) ist das ja auch total gut so.
Seltsam ist allerdings die Verknüpfung, die man mit anderen Menschen hat, die die gleiche Bahn nehmen.
Also immer die gleiche Bahn zur gleichen Zeit.
Man kennt sich und doch nicht.
Wenn ich da so in der Bahn stehe und bestimmte Mitmenschen zum xten Mal sehe, macht man sich schon seine Gedanken und gibt ihnen bisweilen sogar Namen.
Die Namen sind vollends von Oberflächlikeiten abgeleitet, da man ja auch nichts Anderes hat.
"Der Dicke, die mit dem strohigem Haar, der O Bein Proll, Milchbubi im Billiganzug, die italienische Studentin, die wie Gracia von DSDS aussieht und...
DER BLINDE MIT DEN NASSEN AUGEN.

Der Blinde mit den nassen Augen, trägt keine Blindenbrille, wie man es sich als Nichtblinder doch eigentlich wünscht. Seine Augen tränen immerzu und dadurch ist seine komplette Augenpartie so nass, wie mein Konto seinerzeit. Außerdem lächelt er immer ein bisschen. Der Blinde, der um die Welt weint und dabei seelig lächelt. Mir geht dieser Unsinn durch den Kopf und bin froh, dass keiner meine Gedanken lesen kann. Alle würden sofort angeekelt von mir weichen. Oder schlimmer noch, mit dem Finger auf mich zeigen. Wenn er eine Brille tragen würde, würde ich mich wohler fühlen.
So eine Brille wie Stevie Wonder, Ray Charles oder Heino. Immer wenn ein Blinder keine Brille trägt, ertappe ich mich dabei, wie ich mir seine Augen anschaue. Die Augen eines Blinden sind meist unfokussiert, schauen in eine Richtung, in der es nichts zu sehen gibt, aber das kann dem Blinden ja auch egal sein. Mit voyeuristischer Neugier starre ich ihn aus den Augenwinkeln an. Immer begleitet, von der absurden und armseeligen Angst, dass er mich in Wirklichkeit ganz genau sieht, wie ich ihn so beobachte. Er sitzt oder steht in der Bahn, hält seinen Blindenstock vor sich, als wolle er mir damit demonstrieren, dass ich ihn ruhig anstarren könne. Vielleicht ist das eine Falle. Er ist gar nicht richtig blind und beobachtet mich seit längerer Zeit. Ich bin sein Experiment. Er nennt mich dann wahrscheinlich den glatzköpfigen Anstarrer, oder so etwas in der Art.
Gleiches mit Gleichem.
Ich finde aus Rücksicht, könnte er ruhig seine suppenden Augen verhüllen. Hat er eine Ahnung, was für gedankliche Abgründe sich in einem (oder nur in meinem) sehendem Kopf abspielen? Oder er weiß es eben ganz genau und grinst deswegen so vor sich hin. Als wolle er sagen: Jaja, ich weiß genau, dass Du dich schlecht fühlst, weil Du mich heimlich beobachtest und Dir dabei krankes und wirres Zeug zusammendenkst. Aber das ist mein kleiner Spaß. Eigentlich habe ich auch überhaupt nichts vor. Ich muss auch nirgendwo hin. Ich fahre nur Bahn, um Dich und Deinesgleichen zu irritieren. Wenn die Bahn an der Endstation angekommen ist, steige ich aus und fahre wieder zurück.
Solche Gedanken um- und durchfluten meine Gehirn. Ich fühle mich schlecht, obwohl das auch totaler Quatsch ist, weil - ist ja nichts passiert. Hab' ja niemanden beleidigt. Außer meiner unhöflichen aus-den-Augenwinkeln-Starrerei, die ja schon schlimm genug ist. Ich und Über-Ich im harten Nahkampfduell. Gewinnen tut sowieso nur die Verschrobenheit.
Puh, endlich steigt er aus. Fährt also doch nicht bis zur Endstation. Zumindest heute nicht. Vielleicht ist auch das seine Taktik. Ich schaue ihm hinterher.
Er lächelt.

Donnerstag, 12. Februar 2009

Respekt ist wichtig - Ein Gespräch

"Ich bin schon voll heiß auf die Party, ey. Das wird geil!"
"Ja, das kann ich mir vorstellen. Aber bestimmt so richtig. Is doch, oder?"
"Ja klar. Voll! Da kommen doch alle Spezis zusammen. Das is voll Profiliga."
"Glaub schon, dass das ab geht. Aber ich war ja halt so noch nicht dabei."
"Eben! Da wird die ganze Nacht...ich mein, mach ich ja sons auch...ich bin ja auch sonst keiner der um eins na Hause geht..."
"Nene, weiß ich ja."
"Eben, aber da is das echt noch ma was Anderes! Da is quasi auf Ansage!"
"Hm...und was trinkt Ihr dann da so die ganze Zeit? So Wodka? Oder auch was Härteres?"
"Wie was Härteres?" Was willste denn Härteres als Wodka..."
"Ne, ich mein ja...so ob Ihr da die ganze Zeit so überhaupt nur harte Sachen, oder..."
"Ach so, ne. Kannse machen wie du willst. Ich fang immer erst ma mit Bier an."
"Jaja, was was nich so viele Prozente hat, ne?"
"Klar, so zum Anfang. Kanns ja nich die ganze Zeit nur so den harten Sprit in dich rein schütten."
"Nene."
"Dann nachher, klar, dann ja. Auch hier gerne Wodka Ahoi. Kennse, ne?"
"...ja, das is doch...das ist doch so ne Sorte. Also, so ne Wodka Sorte, mein ich."
"Das ist keine Sorte! Das ist Wodka mit Brause."
"Brause?"
"Ja, Ahoi Brause. Kennse die nich?"
"Ach, das sind doch so kleine Tüten..."
"Ja, genau."
"Die mit so ner Flagge drauf, ne?"
"Ne! Da is son Seemann drauf. Son Matrose."
"Aaach, ja. Die meinste. Ja, kenn ich."
"Das is voll geil!"
"Und die mischt man dann zusammen, ne?"
"Kannse machen, kannse aber auch erst dir die Brause in den Mund kippen und dann den Wodka nach."
"Ja...oder andersrum..."
"Ne, andersrum is nich so gut. Da läuft dir ja der Wodka wieder aus dem Maul, wenne ers den Wodka und dann die Brause nachkippst."
"Stimmt. Und das schäumt dann so auf. Wegen der Brause."
"Nee, is ja keine Kohlensäure drin."
"Stimmt."
"Das Wichtigste is halt...du darfst halt nich durcheinander trinken!"
"Ne, das is schlecht. Darf man nich machen."
"Ach das wird geil! Hier der Peter kommt auch."
"Ja?"
"Ja. Und der bringt wahrscheinlich die Tanja mit. Die is auch schon heiß."
"Auf die Party?"
"Ja...und auf mich. Harharharhar."
"Hahahaha...aber das ist doch die Freundin vom Peter, oder?"
"Ne, jedenfalls nich so richtig. Der Peter denkt das halt, also dass das die Freundin is...von ihm."
"Aber is gar nich."
"Nee...naja...ach watt weiß denn ich, ey. Mir auch egal, alter. Wenn die geil is auf mich, watt soll ich machen?"
"Da kannse nix machen."
"Eben. Soll ich jetzt...Ich mein, ma angenommen, die kommt auf mich zu und wills haben...ich mein, dann is dass doch eh ne Schlampe, wenn die, obwohl die vielleicht mitm Peter zusammen ist, dann noch mit jemand anderem."
"Schon."
"Und dann noch ausm Freundeskreis...wie assi is das denn bitte?"
"Das macht man nich."
"Eben. Ich mein, dass is ja nich so, dass die schon ewig zusammen und die voll treu is und ich mich dann an die ranmach wenn die besoffen is, oder so."
"Nee, würdeste auch nie machen. Kenn dich doch. Das würdeste nich."
"Das hat was mit Respekt zu tun."
"Respekt is wichtig."
"Aber bei so ner Bitch, ey. Weissse, ob ich da jetzt reinhalt, oder irgend son anderer Penner is ja egal. Betrügen tut die den Peter doch so oder so. Ich mein...machen wir uns doch nix vor."
"Ja, ne. Das is so Eine, ne?"
"Voll! Im Endeffekt genommen is der Peter doch auch nur deswegen mit der zusammen, dass der die wemmsen kann. Mit Liebe hat das nix zu tun."
"Meinste?"
"Klar, guck dir die doch ma an. Geil sieht die nich aus!"
"Is mir auch schon aufgefallen!"
"Zero geil."
"Weiß eh nich, was der mit der will."
"Schäbbigge Traube, ey."
"Hm."


"Aber wegflanken tu ich die auf jeden Fall!"

Donnerstag, 22. Januar 2009

Die Leichtigkeit des Seins

Seit zwei Jahren gehe ich ins Fitnessstudio.
An drei Tagen in der Woche öffnet das Studio schon morgens um sieben.
Ich gehe drei Mal die Woche.
Immer morgens um sieben.
Es gibt noch sechs Andere, die auch um diese Zeit trainieren.
Alle sechs sind totale Vollidioten.

Ich bin der Siebte.

Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft.
Wir sind die Freunde des Eisens.
Zusammengeschweißt durch Schweiß.

Das Studio ist unser Tempel der Kraft.
Es gehört uns.
Unser Studio.
Unser Fitti.

Wir sind die Ersten, die an diesen Tagen das Eisen klirren lassen.
Wir setzen unsere Duftmarken.
Egal, wie viele Leute an diesem Tag noch kommen und reinschwitzen werden.
Unsere Blume bleibt bis zum Schluss.

Die Wenigen, die ab und zu auch um diese Zeit trainieren hassen uns.
Nicht weil wir unfreundlich oder aggressiv sind.
Das sind wir nicht.
Wir sind freundlich.
Wir grüßen jeden...der unser Studio betritt.
Sie hassen uns, weil sie allein sind und wir eine Gruppe.

Eine Gang.

Sie hassen uns, weil wir gut gelaunt sind.
Wir haben Spaß.
Sie hassen uns, weil wir laut sind.
Laut und gut gelaunt.
Wenn ich nicht dazu gehören würde...ich würde uns hassen.
Wir reden laut und wir reden viel und obwohl es noch keine 8:00 Uhr ist, herrscht eine Stimmung wie in der Kneipe.
"Harharhar...als Deine Frau gestern bei mir im Bett war, hat sie gesagt, dass ich Dir mal n' paar Tips geben soll, damit es mit Dir auch so viel Spaß macht, wie mit mir."
"Harharhar. Komisch, das Gleiche hat mir Deine auch gesagt."
"Harharharhar."

Wir strengen uns an.
Wir geben alles.
Wir wissen genau, was wir zu tun haben.
Es gibt keine Vielleichts, keine Wenns, kein Aber, kein Hätte Hätte Hätte, keine Irritationen, keine Unsicherheiten.
Nirgendwo ist das Leben so klar wie hier.

Das Gewicht muss hoch.

Wer schwächelt und jammert ist eine Pussy.
Wer sich selbst steigert ist ein Killer, ein Tier, eine Maschine.

Wir spornen uns gegenseitig an und wir machen uns gegenseitig fertig.
Wenn der Andere gerade kurz vor der totalen Erschöpfung steht und versucht die letzten Reserven aus sich herauszukitzeln, dann gilt es einen guten Joke zu machen.
Das Resultat ist immer das Gleiche:
Der Andere kann nur noch ein leises: "Du Arschloch..." hauchen und dann krepiert er unter dem Gewicht.
"Harharhar."

Nach einer Stunde ist schon wieder alles vorbei.
Wir gehen und verabschieden uns freundlich und lautstark bei den Anderen.
Sie verabschieden sich freundlich zurück.
Ihre Freude ist nicht gespielt.
Endlich sind wir weg.

Noch schnell Liegestütze in der Bauch-weg-Ecke.
Aber nicht zu schnell: "Kein Hasenf***en!"

Wir haben genug.
Wir gehen duschen.
Übermütig wie junge Hunde.
Berauscht von der eigenen Leistung.
Die Muskeln voller Blut.
Das Wasser ist heiß.
Der Strahl ist stark.
Die Duschen sind laut.
Wir müssen noch lauter reden.
Einer hat sein Duschgel vergessen.
"Kein Problem, Du kannst meins haben." sagt ein anderer und wirft es auf den Boden.
Alle lachen.
"Harharhar."

Wir sind stolz, wir sind nackt, wir sind alle gleich.
Debil grinsend wackelt C. ganz schnell mit seinem Becken und sein Penis klatscht von links nach rechts.
Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern singen wir Anderen: "Hol das Lasso raus."
Wir sind wieder in der siebten Klasse.
"Hahahihihoho."

Egal, was heute noch passiert: Das kann uns keiner mehr nehmen.

Dienstag, 13. Januar 2009

Neulich bei Starbucks

"Wo sollen wir uns denn treffen?"
"Also am liebsten bei Starbucks"

Starbucks. Elender Drecksladen.
Amerikanischer Scheißkonzern, steht in einer Reihe mit Coca Cola und Mc Donalds.
Enklave aus dem Mickey Maus Land.
Sozusagen der Klassenfeind.
An jeder Kaffeebohne klebt Blut, kann man aber nicht mehr schmecken, weil die Plörre derart aromatiersiert worden ist, dass man nur noch Vanillesirup, weiße Schokolade, Karamell, Karamellsirup und Karamellsoße schmeckt. Karamell, Karamell, Karamell.

Was ist passiert?
Früher gab es in Deutschland nur Kaffee und draußen sowieso nur Kännchen.
Beim Italiener vielleicht noch einen Espresso.
Wenn es ganz was Besonderes sein sollte, dann vielleicht noch einen Cappuccino.

In Werbespots, die man damals noch Reklame nannte, sah man deutsche Hausfrauen, die alle aussahen wie Schlagersängerinnen.
Obwohl sie den ganzen Tag in der Küche geackert haben, sahen sie aus wie aus dem Ei gepellt.
Auf dem Tisch lag die gute Tischdecke, das gute Tafelsilber, das gute Geschirr.
Das Essen war grandios: Braten, Kartoffeln, ein bisschen Beilagengemüse und Soße.
Soße, Soße, Soße.
In braun.
Die Kinder hockten in ihren besten Sonntagsklamotten brav am Tisch, schrien nicht rum, popelten nicht und saßen auch sonst total wohlerzogen in der Gegend rum.
Die Männer trugen Anzüge und waren glücklich sich die Plauze vollhauen zu können.
Was haben sie doch für tolle Fauen geheiratet.
"Und kochen können die...hmm...einfach toll. Darauf einen Dujardin.!"

Alle waren glücklich.
Alles war gut.
Die Gastgeberin war zufrieden. Zufrieden mit sich und zufrieden mit der Welt.
Ihre Schwiegermutter neigte sich lächelnd zu ihr rüber.
Innerlich frohlockte die Gastgeberin bereits.
Die Schwiegermama ist zufrieden, dachte sie.
Gleich wird sie mich loben. Gleich. Endlich. Nach all den Jahren.
Schwiegermama öffnete ihren perfekt angemalten Mund, nur leichte Fältchen umrangten ihre Lippen: "Das hast Du wirklich gut hinbekommen. Ein schönes Fest."
"Danke"
Danke, danke, danke, dachte sich die Gastgeberin. Nach all den Jahren, die ich um ihre Anerkennung gekämpft habe, endlich ein Lob von der alten Schranze.
Dann führte die weise aber durchaus strenge Schwiegermutter die Kaffeetasse an ihren Mund, trank...und verzog das Gesicht.
"Aber...der Kaffee."
"Was ist damit?"
"Er hat kein Aroma!"

Szenen wie diese gibt es nicht mehr.
Sie sind vorbei, Geschichte.
Irgendwann schlich sich die Sau Latte Machiato in die Küche und verzauberte die tristessegeplagten deutschen Hausfrauen mit seinem Milchschaum.

Wenn heute jemand Filterkaffee serviert, muss er sich keine Kommentare über das Aroma anhören, sondern wird sofort gefragt, ob er keinen Latte, oder Cappuccino am Start habe.

Kaffee trinkt heute nur noch Oma Meisenbug im Café Schmidtke.

Jetzt trifft man sich bei Starbucks, einem Kaffeegeschäft, in dem man froh sein kann, wenn man überhaupt noch einen Kaffee bekommt.
Stattdessen gibt es White Caffé Mocha, Caramel Machiato, Caramel Frappuccino® Blended Coffee, Tazo® Iced Chai Tea Latte, Vanilla Latte light oder Hazelnut Latte light oder wie die ganze Scheiße auch immer heißen mag.
Wer will kann sich einen Vanille Cappuccino mit
fettreduzierter Milch, extra foamy aber bitte half-Décaf bestellen.
Gegen einen kleinen Aufpreis kann man sich verschiedene Sirups aussuchen: Vanilla, Caramel, Almond, Hazelnut, Raspberry oder Peppermint.
Was für Leute nehmen bitte sehr Pfefferminzsirup zum Kaffee?

"Ich hätte gern einen iced décaf, triple, grande hazelnut
nonfat, no-whip Mocha."
Solche Sätze hört man ständig wenn man bei Starbucks in der Reihe steht und darauf wartet, dass man dran kommt und bedient wird.
Wer sich früher einen Cappuccino bestellt hat kam sich manchmal ganz schön schicki-ficki mäßig vor.
Wer sich heute bei Starbucks einen Cappuccino bestellt, kommt sich wie ein reaktionärer, alter Kacker vor.
Man bestellt sich seinen iced, tripple caf, tall, soya, hazelnut, extra foamy poamy schoamy, Caramel Latté oder irgend sowas in der Art.
Dann geht man ein Stückchen weiter und wartet darauf, dass einem das Koffein-Derivat von einer anderen Kraft überreicht wird und man dafür ca. vier bis fünf Euro! latzen darf.

Als ich da also so auf meinen langweiligen Cappuccino warte (ich gebe zu, ich habe einen double Cappuccino mit einem extra Espresso shot genommen), bringt die Bedienung drei Riesen Becher und sagt, beziehungsweise fragt: "Drei Latte Machiato?"
Vor mir stehen drei dicke Amerikanerinnen. Sie verstehen nicht, was sie da auf deutsch gefragt werden und erkundigen sich mit einem "pardon?".
Die Bedienung reagiert blitzschnell und ungerührt: "Three Lädde Mächiäddo".
Das verstehen sie.
Die dicken Amerikanerinnen nehmen sich ihren Lädde Mächiäddo und schieben ab.

...Lädde Mächiäddo.

So ein verfickter Scheißladen, denke ich und setze mich an den Tisch.
"Das nächste Mal treffen wir uns wieder im Café Schmidtke!"
So!