Donnerstag, 22. Januar 2009

Die Leichtigkeit des Seins

Seit zwei Jahren gehe ich ins Fitnessstudio.
An drei Tagen in der Woche öffnet das Studio schon morgens um sieben.
Ich gehe drei Mal die Woche.
Immer morgens um sieben.
Es gibt noch sechs Andere, die auch um diese Zeit trainieren.
Alle sechs sind totale Vollidioten.

Ich bin der Siebte.

Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft.
Wir sind die Freunde des Eisens.
Zusammengeschweißt durch Schweiß.

Das Studio ist unser Tempel der Kraft.
Es gehört uns.
Unser Studio.
Unser Fitti.

Wir sind die Ersten, die an diesen Tagen das Eisen klirren lassen.
Wir setzen unsere Duftmarken.
Egal, wie viele Leute an diesem Tag noch kommen und reinschwitzen werden.
Unsere Blume bleibt bis zum Schluss.

Die Wenigen, die ab und zu auch um diese Zeit trainieren hassen uns.
Nicht weil wir unfreundlich oder aggressiv sind.
Das sind wir nicht.
Wir sind freundlich.
Wir grüßen jeden...der unser Studio betritt.
Sie hassen uns, weil sie allein sind und wir eine Gruppe.

Eine Gang.

Sie hassen uns, weil wir gut gelaunt sind.
Wir haben Spaß.
Sie hassen uns, weil wir laut sind.
Laut und gut gelaunt.
Wenn ich nicht dazu gehören würde...ich würde uns hassen.
Wir reden laut und wir reden viel und obwohl es noch keine 8:00 Uhr ist, herrscht eine Stimmung wie in der Kneipe.
"Harharhar...als Deine Frau gestern bei mir im Bett war, hat sie gesagt, dass ich Dir mal n' paar Tips geben soll, damit es mit Dir auch so viel Spaß macht, wie mit mir."
"Harharhar. Komisch, das Gleiche hat mir Deine auch gesagt."
"Harharharhar."

Wir strengen uns an.
Wir geben alles.
Wir wissen genau, was wir zu tun haben.
Es gibt keine Vielleichts, keine Wenns, kein Aber, kein Hätte Hätte Hätte, keine Irritationen, keine Unsicherheiten.
Nirgendwo ist das Leben so klar wie hier.

Das Gewicht muss hoch.

Wer schwächelt und jammert ist eine Pussy.
Wer sich selbst steigert ist ein Killer, ein Tier, eine Maschine.

Wir spornen uns gegenseitig an und wir machen uns gegenseitig fertig.
Wenn der Andere gerade kurz vor der totalen Erschöpfung steht und versucht die letzten Reserven aus sich herauszukitzeln, dann gilt es einen guten Joke zu machen.
Das Resultat ist immer das Gleiche:
Der Andere kann nur noch ein leises: "Du Arschloch..." hauchen und dann krepiert er unter dem Gewicht.
"Harharhar."

Nach einer Stunde ist schon wieder alles vorbei.
Wir gehen und verabschieden uns freundlich und lautstark bei den Anderen.
Sie verabschieden sich freundlich zurück.
Ihre Freude ist nicht gespielt.
Endlich sind wir weg.

Noch schnell Liegestütze in der Bauch-weg-Ecke.
Aber nicht zu schnell: "Kein Hasenf***en!"

Wir haben genug.
Wir gehen duschen.
Übermütig wie junge Hunde.
Berauscht von der eigenen Leistung.
Die Muskeln voller Blut.
Das Wasser ist heiß.
Der Strahl ist stark.
Die Duschen sind laut.
Wir müssen noch lauter reden.
Einer hat sein Duschgel vergessen.
"Kein Problem, Du kannst meins haben." sagt ein anderer und wirft es auf den Boden.
Alle lachen.
"Harharhar."

Wir sind stolz, wir sind nackt, wir sind alle gleich.
Debil grinsend wackelt C. ganz schnell mit seinem Becken und sein Penis klatscht von links nach rechts.
Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern singen wir Anderen: "Hol das Lasso raus."
Wir sind wieder in der siebten Klasse.
"Hahahihihoho."

Egal, was heute noch passiert: Das kann uns keiner mehr nehmen.

Dienstag, 13. Januar 2009

Neulich bei Starbucks

"Wo sollen wir uns denn treffen?"
"Also am liebsten bei Starbucks"

Starbucks. Elender Drecksladen.
Amerikanischer Scheißkonzern, steht in einer Reihe mit Coca Cola und Mc Donalds.
Enklave aus dem Mickey Maus Land.
Sozusagen der Klassenfeind.
An jeder Kaffeebohne klebt Blut, kann man aber nicht mehr schmecken, weil die Plörre derart aromatiersiert worden ist, dass man nur noch Vanillesirup, weiße Schokolade, Karamell, Karamellsirup und Karamellsoße schmeckt. Karamell, Karamell, Karamell.

Was ist passiert?
Früher gab es in Deutschland nur Kaffee und draußen sowieso nur Kännchen.
Beim Italiener vielleicht noch einen Espresso.
Wenn es ganz was Besonderes sein sollte, dann vielleicht noch einen Cappuccino.

In Werbespots, die man damals noch Reklame nannte, sah man deutsche Hausfrauen, die alle aussahen wie Schlagersängerinnen.
Obwohl sie den ganzen Tag in der Küche geackert haben, sahen sie aus wie aus dem Ei gepellt.
Auf dem Tisch lag die gute Tischdecke, das gute Tafelsilber, das gute Geschirr.
Das Essen war grandios: Braten, Kartoffeln, ein bisschen Beilagengemüse und Soße.
Soße, Soße, Soße.
In braun.
Die Kinder hockten in ihren besten Sonntagsklamotten brav am Tisch, schrien nicht rum, popelten nicht und saßen auch sonst total wohlerzogen in der Gegend rum.
Die Männer trugen Anzüge und waren glücklich sich die Plauze vollhauen zu können.
Was haben sie doch für tolle Fauen geheiratet.
"Und kochen können die...hmm...einfach toll. Darauf einen Dujardin.!"

Alle waren glücklich.
Alles war gut.
Die Gastgeberin war zufrieden. Zufrieden mit sich und zufrieden mit der Welt.
Ihre Schwiegermutter neigte sich lächelnd zu ihr rüber.
Innerlich frohlockte die Gastgeberin bereits.
Die Schwiegermama ist zufrieden, dachte sie.
Gleich wird sie mich loben. Gleich. Endlich. Nach all den Jahren.
Schwiegermama öffnete ihren perfekt angemalten Mund, nur leichte Fältchen umrangten ihre Lippen: "Das hast Du wirklich gut hinbekommen. Ein schönes Fest."
"Danke"
Danke, danke, danke, dachte sich die Gastgeberin. Nach all den Jahren, die ich um ihre Anerkennung gekämpft habe, endlich ein Lob von der alten Schranze.
Dann führte die weise aber durchaus strenge Schwiegermutter die Kaffeetasse an ihren Mund, trank...und verzog das Gesicht.
"Aber...der Kaffee."
"Was ist damit?"
"Er hat kein Aroma!"

Szenen wie diese gibt es nicht mehr.
Sie sind vorbei, Geschichte.
Irgendwann schlich sich die Sau Latte Machiato in die Küche und verzauberte die tristessegeplagten deutschen Hausfrauen mit seinem Milchschaum.

Wenn heute jemand Filterkaffee serviert, muss er sich keine Kommentare über das Aroma anhören, sondern wird sofort gefragt, ob er keinen Latte, oder Cappuccino am Start habe.

Kaffee trinkt heute nur noch Oma Meisenbug im Café Schmidtke.

Jetzt trifft man sich bei Starbucks, einem Kaffeegeschäft, in dem man froh sein kann, wenn man überhaupt noch einen Kaffee bekommt.
Stattdessen gibt es White Caffé Mocha, Caramel Machiato, Caramel Frappuccino® Blended Coffee, Tazo® Iced Chai Tea Latte, Vanilla Latte light oder Hazelnut Latte light oder wie die ganze Scheiße auch immer heißen mag.
Wer will kann sich einen Vanille Cappuccino mit
fettreduzierter Milch, extra foamy aber bitte half-Décaf bestellen.
Gegen einen kleinen Aufpreis kann man sich verschiedene Sirups aussuchen: Vanilla, Caramel, Almond, Hazelnut, Raspberry oder Peppermint.
Was für Leute nehmen bitte sehr Pfefferminzsirup zum Kaffee?

"Ich hätte gern einen iced décaf, triple, grande hazelnut
nonfat, no-whip Mocha."
Solche Sätze hört man ständig wenn man bei Starbucks in der Reihe steht und darauf wartet, dass man dran kommt und bedient wird.
Wer sich früher einen Cappuccino bestellt hat kam sich manchmal ganz schön schicki-ficki mäßig vor.
Wer sich heute bei Starbucks einen Cappuccino bestellt, kommt sich wie ein reaktionärer, alter Kacker vor.
Man bestellt sich seinen iced, tripple caf, tall, soya, hazelnut, extra foamy poamy schoamy, Caramel Latté oder irgend sowas in der Art.
Dann geht man ein Stückchen weiter und wartet darauf, dass einem das Koffein-Derivat von einer anderen Kraft überreicht wird und man dafür ca. vier bis fünf Euro! latzen darf.

Als ich da also so auf meinen langweiligen Cappuccino warte (ich gebe zu, ich habe einen double Cappuccino mit einem extra Espresso shot genommen), bringt die Bedienung drei Riesen Becher und sagt, beziehungsweise fragt: "Drei Latte Machiato?"
Vor mir stehen drei dicke Amerikanerinnen. Sie verstehen nicht, was sie da auf deutsch gefragt werden und erkundigen sich mit einem "pardon?".
Die Bedienung reagiert blitzschnell und ungerührt: "Three Lädde Mächiäddo".
Das verstehen sie.
Die dicken Amerikanerinnen nehmen sich ihren Lädde Mächiäddo und schieben ab.

...Lädde Mächiäddo.

So ein verfickter Scheißladen, denke ich und setze mich an den Tisch.
"Das nächste Mal treffen wir uns wieder im Café Schmidtke!"
So!