Ich hatte im Radio davon gehört.
Ich hatte in der Zeitung davon gelesen.
Aber ich kannte es nicht.
Und Erfahrungen aus zweiter Hand waren nie mein Ding.
Oh nein.
Den Finger im Arschloch der Zeit, danach hatte ich stets gelebt.
Die Frage „Kennst du schon...“, beantwortete ich, ohne mir den Rest anzuhören, wahrheitsgemäß mit „Ja“.
Keine Party, auf der sich nicht irgendwann irgendjemand hilfesuchend an mich wendet.
„Wenn du es nicht weißt, dann weiß es niemand!“
„Was?“
„Wie heißt der Schauspieler, der in jedem Film mitspielt?“
„Was ist das denn für eine bescheuerte Frage?
Natürlich Samuel L. Jackson!“
Außerdem vergesse ich nichts.
Manche sagen, das sei ein Fluch.
Aber ich finde es geil.
Sehe ich einen Film, kann ich mich an die Dialoge erinnnern.
Die Meisten begreifen das nicht.
Ich begreife nicht, dass man Sätze wie „Ich will, dass du mich schlägst, so hart du nur kannst!“ vergessen kann.
Meine Schwägerin ist Psychologin.
Sie sagt ich sei ein „S-Typ“
Sie sagt zwar, dass sei Quatsch, aber ich bin sicher, dass „S-Typ“ die Kurzversion von Super-Typ ist.
Und weil ich ein „Super-Typ“ bin, logte ich mich ein, in das Roulette aus dem Internet.
Der Zufall bestimmt das Gegenüber.
Gefällt mir die Person nicht: Adieu Cordonbleu.
Gefalle ich der Person nicht: Bis später Katheter.
Keine Zurück, kein Halten, weg is weg.
Manche haben sich verkleidet, manche spielen Gitarre, einige spielen an ihrem Schniepel. Frauen sind meistens mindestens zu zweit, wohl wegen den Schniepeln.
Ich rede mit einem 15-Jährigem Franzosen über Heavy Metall.
Er liebt Musik.
Ich gebe ihm den großväterlichen Rat, auf diese Liebe aufzupassen.
Sie ist kostbar.
Paris-Athen-Auf Wiedersehen.
Eine Frau aus Amerika ohne Webcam fordert mich auf, meinen Schniepel in die Kamera zu halten.
Sie würde europäische Schniepel sehr mögen, ja geradezu verrückt danach sein.
Ich zögere, mach es aber schließlich doch nicht.
Ich bin nicht sicher, ob sie wirklich eine Frau ist.
Tschauchesko.
Schniepel.
Bis Dannimanski.
Schon wieder Schniepel.
Ganz schön riemig, die Jungs hier.
Egal. Tschauwauwau.
Der nächste Kanditat hat anstelle einer Webcam nur ein Foto.
Aber was für eins.
Ein Mann.
Vom unteren Rücken bis zu den Oberschenkeln.
Nackt.
Von hinten.
Reißt seine Gesäßbacken überdurchschnittlich weit auseinander.
Presst seinen Darm soweit raus, wie er kann.
Und er kann ihn sehr weit rauspressen.
Ekelhafte Scheiße.
Es wäre schockierend, wenn ich nicht ich wäre.
Denn was der kleine Pisser auf der anderen Seite nicht weiß, ist, dass ich fünf Jahre lang Agent für die Amerikaner war.
Ja, ich war Agent.
Call Center Agent für AOL.
Das Internet hab ich durch.
Und believe me – I've seen it all.
Ass to mouth, Bukake, Creampie, Squirting, Gangbang, Spanking, Bondage, Preggobondage, Shemales, Fisting, Throat Fucking, Cum Swapping, Gonzo, Objektsexualität, Grannys, Midgets, Animals, Scat Porn...
Mir ist nichts Menschliches fremd.
Und ich kenne den Typen auf dem Bild.
Nicht persönlich, aber ich kenne ihn.
Es ist der Goatse-Man.
Kult aus der Steinzeit des Internet.
Wahrscheinlich weiß der Lümmel noch nicht mal, wessen Bild er da benutzt um Internetzivilisten zu schocken.
Ich mache erst einmal klar, wo der Hammer hängt und schreibe „yeah, goatse man!“
Er schreibt zurück: „You win! Nobody really recognises it.“
Ich bin kein Nobody!
Ich bin der „S-Typ“.
Lässig entgegne ich: „He's famous, man. A legend!“
Seine Reaktion kommt unverzüglich:
„I know. It's shocking, these young yuppies don't know anything about the internets.“
Mein Herz macht einen Aussetzer.
Sollte ich auf einen Bruder im Geiste, einen Gleichgesinnten, einen Confrère gestoßen sein?
Ich muss es herausfinden und schreibe: „Its disapointing, i know. Not even 2 girls and 1 cup !“
Ein pikantes Video - hat was mit Fäkalien zu tun.
Er ist entsetzt: „Seriosly? Jesus.“
Seine Reaktion treibt mir Tränen der Rührung in die Augen.
Ich klage ihm mein Leid: „Everbody is like: I don't wanna see it!“
Er so: „They're missing out :D“
Sie verpassen was.
Wie wahr.
Ich hab das nie verstanden.
Wenn sich der dicke Klaus im Sportunterricht vor Anstrengung in die Hose gekackt hat, haben doch auch alle geckuckt.
Wenn es auf der Autobahn ein Unfall gibt, dann gibt es Stau – auf der Gegenseite.
Blut, Knochen und Hirn auf dem Asphalt sind okay, aber ein Video von einem Typen, der eine Kuh vögelt, soll krank sein?
Ich meine, klar ist es krank, aber ein gewisser Unterhaltungswert ist dem doch nicht abzusprechen.
Ich bin ganz aufgeregt, ob meiner neuen Bekanntschaft und will ihn beeindrucken:
Ich so: „Do you know "Buck Angel"?“
Er so: „It sounds familiar, can't say I know what it is for sure though.“
Ich so: „It's a transexuell, but...a guy with a pussy. Irritating – but fun.“
Er so: „Lovely.“
Ich liebe ihn.
Ich bin aufgeregt und frage: „Whats about "guy gets fucked by a horse"?“
Er: „I've been trying to find that one. No luck so far though.“
Ich so: „Once you have seen it – you can never make it unseen.“
Er so: „I see this as a challenge.“
Das ist die richtige Einstellung.
Die Give-it-to-me-Einstellung.
Vor Begeisterung lasse ich mich hinreissen und drohe, alles kaputt zu machen.
Ich stelle die dümmste und unbedeutendste Frage, die man im Chat stellen kann: „Where you're from, dude?
Während ich auf „senden“ klicke, wird mir klar, dass ich einen Fehler begangen habe.
Man fragt nicht, wo der andere herkommt.
Das ist Anfänger-Chat-gesmalltalke der alleruntersten Kajüte.
Wayne interresierts wo der andere hockt.
Die Welt ist eins.
Länder sind Systeme an die wir nicht glauben.
Und was tut er?
Er sieht geflissentlich über meinen Fauxpas hinweg und gibt die coolstmögliche aller Antworten: „From the internet.“
Unfassbar.
Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen.
Ich wechsle das Thema: „Whats about all the wanking dudes in here? I don't get it!“
Er: „I don't know, but i hope my picture of the goatse man turns them very off. I even saw a guy who tucked his junk in between his legs to try to look like a vagina.“
Ich habe wieder Oberwasser: „Please, i did that, when i was nine.“
Hach ja.
Schön ist es.
Ich bin Alpha – Er ist Omega.
Wir sind die Pornogeschichtsschreiber des Internet.
Unser Glück währt nicht lange.
Schon verspüre ich die erste Welle des Schmerzes.
Es ist der Schmerz des Abschieds.
Er kommt.
Unsere Zeit nähert sich dem Ende.
Ich kann es spüren.
Alles ist gesagt.
Ich weiß es.
Er weiß es.
Ich wehre mich dagegen und schicke ihm den Link von „Guy gets fucked by a horse“.
Demütig dankt er mir mit den Worten: „Fuckin awesome, dude.“
Diese Bilder wird er nie aus dem Kopf bekommen und dabei wird er immer an mich denken müssen.
Meine Mission ist erfüllt.