Dienstag, 25. November 2008

Von Spelunken und doofen Matrosen

Was sind das nur für Menschen, die alleine in eine Bar gehen?

Wenn ich in eine Bar gehe, dann in Begleitung.
Gerne in weiblicher, gerne in männlicher.

Aber eben in Begleitung.

Ich höre schon die Besserwisser.
Triumphierend und feixend wollen sie mich eines Besseren zu belehren.
Sie sagen: „Ich weiß es aber besser!“

Gut.

Es ist schon vorgekommen, dass ich eventuell das ein oder andere Mal alleine in einer Bar gewesen bin.

„Mein Name ist Deniz und ich gehe alleine in Bars.“

„Sag uns Deniz, warum gehst Du alleine in Bars?“

„Nun gut. Ich will erzählen.“

Meist fanden diese Ausflüge zu deutlich fortgeschrittener Stunde statt.
Der Abend begann zunächst in geselliger Runde, man redete und lachte, parlierte und quatschte und vielleicht lästerte und tratschte man ein bisschen.
Das hat die Nacht so an sich.
Die Nacht, die das Besondere in der Brust eines jeden Menschen weckt.
Eines jeden Menschen, der tief in sich drinnen nicht völlig erkaltet ist, durch diese Welt, in der wir leben.

Um nicht vollends an ihr zu verzweifeln, ja, da trinkt man schon mal ein Schlückchen, auch wenn man eigentlich gar nicht durstig ist.
Einfach nur, weil es so schön kribbelt hinter der Nase.
Einfach nur, weil dadurch alles irgendwie lustiger wird.
Einfach nur, weil man dadurch selbst irgendwie lustiger wird.

Attraktiver wird man auch.

Und wenn man dann da so sitzt, umgeben von Menschen, die man mag, die einen mögen und die über die Witze, die man macht, schmunzeln und bisweilen sogar lachen, ja dann kann es schon mal sein, dass man das Ein oder Andere von sich gibt, was man am tristen und grauen Montag Morgen im Büro, des so verhassten Brotjobs nicht sagen würde.

Diese Abende enden aber beinahe immer gleich.
Irgendwann, aber meist sehr plötzlich und in fast schon beängstigend synchronen Schwarmverhalten, löst sich die harmonische Gruppe auf.
Man selbst ist gerade erst so richtig warmgelaufen, Betriebstemperatur ist erreicht und plötzlich soll alles vorbei sein?
Nach Hause gehen?
Jetzt?

„Pah! Ich zieh jetzt noch los!“

„Aber mit wem denn?“

„Mit mir!“

Lass die Anderen doch nach Hause gehen.
Spaßbremsen allesamt.
Man muss die Feste feiern, wie sie fallen und heute ist so eine Nacht…
Eine Nacht, in der einem die Feier förmlich vor die Füße geplumpst ist… glaub ich zumindest.

Das Leben ruft in der unwiderstehlichen Stimme der Sirenen, denen Odysseus bekannter Weise nur dadurch widerstehen konnte, dass er sich von seiner Mannschaft an den Mast fesseln ließ, der Besatzung selbst befahl er, sich die Ohren mit Wachs zumindest temporär zu verschließen.
Ich frage mich, ob es unter Odysseus‘ Mannschaft wohl Männer von zwar tadellosem Eifer und Gehorsam, aber auch von so bescheidener Intelligenz gegeben hat, dass sie den Befehl ihres Kapitäns blind und ohne weiter nachzudenken befolgten und sich die Ohren zwar mit Wachs verschlossen, vorher allerdings versäumten, das Wachs erst auf einen Stofffetzen zu tropfen oder kleine weiche Stücke vom oberen Kerzenrand abzupiddeln, und zwar so lange bis eine ausreichende Menge zur Verfügung stand, um sich den ungewaschenen Gehörgang zu verschließen, sondern es vielleicht alleine, vielleicht auch unter Mithilfe eines ähnlich unsmarten Kollegen, direkt in die Ohren tropften.
Selbst wenn die so in die Ohren gelangte Menge Wachs nicht ausreichte, um sich dem Gesang der Sirenen akustisch zu entziehen, so dürften diese Getreuen Odysseus trotzdem mit den daraus resultierenden Sinneseindrücken so beschäftigt gewesen sein, dass das Letzte, an das sie dachten, ein Hechtsprung ins Meer gewesen sein wird, um den zauberhaften Damen näherzukommen.

Da mir aber niemals jemand Wachs in die Ohren gestopft oder getropft hat und ich bislang auch nicht irgendwo festgebunden wurde, um der Versuchung zu widerstehen, bin ich so manches Mal dem verheißungsvollen Lockruf des Lebens in Eilschritten gefolgt.

Allein gelassen zog es mich in Etablissements von minderer Güte.
Etablissements, deren unvorteilhafter Ruf auf einen abfärben, wenn bekannt wird, dass man sich des Nachts ruhelos dort herumtreibt.
Etablissements die man in den sechzigern noch mit dem mittlerweile beinahe ausgestorbenen Begriff "Spelunke" titulierte.
Etablissements deren Qualität darin besteht, dass sie a) noch geöffnet haben und sich daran erst im Morgengrauen etwas ändern wird und b) die übrigen Gäste genau wie ich Desperados sind.

Suchende auf der Suche nach dem Leben.

Das Leben, das einem jederzeit und an jedem Ort über den Weg laufen kann.
Man weiß nicht, wo es passieren wird, man weiß nur, dass es mit Sicherheit nicht im eigenen Bett geschehen wird.
Und selbst, wenn man sich nicht sofort ins Bett legt und sich von Morpheus in die Untiefen des Schlafes hinein lotsen lässt, sondern sich stattdessen in die Küche setzt, um dem Leben in seiner ganzen unfassbaren Kraft zu begegnen, so kann man doch davon ausgehen, dass die Chancen auf dieses tiefe Bedürfnis nach Wahrhaftigkeit und Außergewöhnlichem sich an diesem Ort nur schwerlich erfüllen werden.

Also darf man keinesfalls nach Hause gehen und sich ins Bett legen.

Man ist als spiritueller Mensch geradezu verpflichtet, sich dem Leben mit entblößter Brust entgegen zu stellen und zu sagen: „Da hast Du!“

Und wenn man es ganz richtig manchen will, dann schaut man sicherheitshalber in jedem Glas nach - und zwar ganz tief unten.

Man sucht also.

Und während man so sucht und das Geld ausgegeben wird, als bestünde es aus Antimaterie und läge so schwer in der Tasche, dass es die Hosennähte zwar noch halten, aber auch nur so gerade eben, schliddert man gerne in Situationen, von denen man sich in der Retrospektive des nächsten Tages denkt:
„Mit was für Kroppzeug hab ich mich denn da nur wieder unterhalten?

"...und wo ist mein ganzes Geld hin?“

„Das Leben hat es Dir genommen.“

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ola Deniz,
netter Blog du alter Poser ;-)
Gruss Uwe