Dienstag, 25. November 2008

Von Spelunken und doofen Matrosen

Was sind das nur für Menschen, die alleine in eine Bar gehen?

Wenn ich in eine Bar gehe, dann in Begleitung.
Gerne in weiblicher, gerne in männlicher.

Aber eben in Begleitung.

Ich höre schon die Besserwisser.
Triumphierend und feixend wollen sie mich eines Besseren zu belehren.
Sie sagen: „Ich weiß es aber besser!“

Gut.

Es ist schon vorgekommen, dass ich eventuell das ein oder andere Mal alleine in einer Bar gewesen bin.

„Mein Name ist Deniz und ich gehe alleine in Bars.“

„Sag uns Deniz, warum gehst Du alleine in Bars?“

„Nun gut. Ich will erzählen.“

Meist fanden diese Ausflüge zu deutlich fortgeschrittener Stunde statt.
Der Abend begann zunächst in geselliger Runde, man redete und lachte, parlierte und quatschte und vielleicht lästerte und tratschte man ein bisschen.
Das hat die Nacht so an sich.
Die Nacht, die das Besondere in der Brust eines jeden Menschen weckt.
Eines jeden Menschen, der tief in sich drinnen nicht völlig erkaltet ist, durch diese Welt, in der wir leben.

Um nicht vollends an ihr zu verzweifeln, ja, da trinkt man schon mal ein Schlückchen, auch wenn man eigentlich gar nicht durstig ist.
Einfach nur, weil es so schön kribbelt hinter der Nase.
Einfach nur, weil dadurch alles irgendwie lustiger wird.
Einfach nur, weil man dadurch selbst irgendwie lustiger wird.

Attraktiver wird man auch.

Und wenn man dann da so sitzt, umgeben von Menschen, die man mag, die einen mögen und die über die Witze, die man macht, schmunzeln und bisweilen sogar lachen, ja dann kann es schon mal sein, dass man das Ein oder Andere von sich gibt, was man am tristen und grauen Montag Morgen im Büro, des so verhassten Brotjobs nicht sagen würde.

Diese Abende enden aber beinahe immer gleich.
Irgendwann, aber meist sehr plötzlich und in fast schon beängstigend synchronen Schwarmverhalten, löst sich die harmonische Gruppe auf.
Man selbst ist gerade erst so richtig warmgelaufen, Betriebstemperatur ist erreicht und plötzlich soll alles vorbei sein?
Nach Hause gehen?
Jetzt?

„Pah! Ich zieh jetzt noch los!“

„Aber mit wem denn?“

„Mit mir!“

Lass die Anderen doch nach Hause gehen.
Spaßbremsen allesamt.
Man muss die Feste feiern, wie sie fallen und heute ist so eine Nacht…
Eine Nacht, in der einem die Feier förmlich vor die Füße geplumpst ist… glaub ich zumindest.

Das Leben ruft in der unwiderstehlichen Stimme der Sirenen, denen Odysseus bekannter Weise nur dadurch widerstehen konnte, dass er sich von seiner Mannschaft an den Mast fesseln ließ, der Besatzung selbst befahl er, sich die Ohren mit Wachs zumindest temporär zu verschließen.
Ich frage mich, ob es unter Odysseus‘ Mannschaft wohl Männer von zwar tadellosem Eifer und Gehorsam, aber auch von so bescheidener Intelligenz gegeben hat, dass sie den Befehl ihres Kapitäns blind und ohne weiter nachzudenken befolgten und sich die Ohren zwar mit Wachs verschlossen, vorher allerdings versäumten, das Wachs erst auf einen Stofffetzen zu tropfen oder kleine weiche Stücke vom oberen Kerzenrand abzupiddeln, und zwar so lange bis eine ausreichende Menge zur Verfügung stand, um sich den ungewaschenen Gehörgang zu verschließen, sondern es vielleicht alleine, vielleicht auch unter Mithilfe eines ähnlich unsmarten Kollegen, direkt in die Ohren tropften.
Selbst wenn die so in die Ohren gelangte Menge Wachs nicht ausreichte, um sich dem Gesang der Sirenen akustisch zu entziehen, so dürften diese Getreuen Odysseus trotzdem mit den daraus resultierenden Sinneseindrücken so beschäftigt gewesen sein, dass das Letzte, an das sie dachten, ein Hechtsprung ins Meer gewesen sein wird, um den zauberhaften Damen näherzukommen.

Da mir aber niemals jemand Wachs in die Ohren gestopft oder getropft hat und ich bislang auch nicht irgendwo festgebunden wurde, um der Versuchung zu widerstehen, bin ich so manches Mal dem verheißungsvollen Lockruf des Lebens in Eilschritten gefolgt.

Allein gelassen zog es mich in Etablissements von minderer Güte.
Etablissements, deren unvorteilhafter Ruf auf einen abfärben, wenn bekannt wird, dass man sich des Nachts ruhelos dort herumtreibt.
Etablissements die man in den sechzigern noch mit dem mittlerweile beinahe ausgestorbenen Begriff "Spelunke" titulierte.
Etablissements deren Qualität darin besteht, dass sie a) noch geöffnet haben und sich daran erst im Morgengrauen etwas ändern wird und b) die übrigen Gäste genau wie ich Desperados sind.

Suchende auf der Suche nach dem Leben.

Das Leben, das einem jederzeit und an jedem Ort über den Weg laufen kann.
Man weiß nicht, wo es passieren wird, man weiß nur, dass es mit Sicherheit nicht im eigenen Bett geschehen wird.
Und selbst, wenn man sich nicht sofort ins Bett legt und sich von Morpheus in die Untiefen des Schlafes hinein lotsen lässt, sondern sich stattdessen in die Küche setzt, um dem Leben in seiner ganzen unfassbaren Kraft zu begegnen, so kann man doch davon ausgehen, dass die Chancen auf dieses tiefe Bedürfnis nach Wahrhaftigkeit und Außergewöhnlichem sich an diesem Ort nur schwerlich erfüllen werden.

Also darf man keinesfalls nach Hause gehen und sich ins Bett legen.

Man ist als spiritueller Mensch geradezu verpflichtet, sich dem Leben mit entblößter Brust entgegen zu stellen und zu sagen: „Da hast Du!“

Und wenn man es ganz richtig manchen will, dann schaut man sicherheitshalber in jedem Glas nach - und zwar ganz tief unten.

Man sucht also.

Und während man so sucht und das Geld ausgegeben wird, als bestünde es aus Antimaterie und läge so schwer in der Tasche, dass es die Hosennähte zwar noch halten, aber auch nur so gerade eben, schliddert man gerne in Situationen, von denen man sich in der Retrospektive des nächsten Tages denkt:
„Mit was für Kroppzeug hab ich mich denn da nur wieder unterhalten?

"...und wo ist mein ganzes Geld hin?“

„Das Leben hat es Dir genommen.“

Mittwoch, 12. November 2008

Über die Freundschaft

Auf die Frage, was das Wichtigste im Leben sei, sagen die meisten Menschen: Gesundheit.

Geschenkt.

An zweiter Stelle kommt dann aber fast immer, dass es die Freunde sind.

Freunde.

Ein Freund, ein guter Freund,
das ist das Schönste was es gibt auf der Welt.
Ein Freund, bleibt immer Freund
auch wenn die ganze Welt zusammenfällt.
Drum sei doch nicht betrübt,
auch wenn dein Schatz dich nicht mehr liebt.
Ein Freund, ein guter Freund,
das ist das Schönste was es gibt.

Einen guten Freund kann man zu jeder Zeit anrufen.
Auf einen guten Freund kann man sich immer verlassen, er ist immer für einen da.
Freunde kann man nie genug haben, da wird einem jeder Recht geben.
Allerdings heißt es auch, dass man nur wenige richtige Freunde haben könne.
Auf die Frage, wie viele das denn sein können/dürfen, antworten die meisten Leute:
So ungefähr Fünf.

Aha.

Fünf Freunde.

Fünf. Das ist eine griffige und überschaubare Zahl.
Ich habe mal eine Talkshow gesehen, ich glaube, dass es eine von den ersten Talkshows war, zu der Zeit, als man noch nicht wußte, dass sie eine Beleidigung der Zuschauer und der Protagonisten darstellen.
Wahrscheinlich Hans Meiser oder Illona Christen, Fliege war es auf keinen Fall, denn zu keiner Zeit hat man daran gezweifelt, dass dieser Mann in sich selbst eine Beleidigung darstellt.
In dieser Talkshow ging es um Swinger.
Einer der Swinger sagte einen Satz, der bei mir hängen geblieben ist.
Liebe ist nicht teilbar.
"Auch wenn ich mit anderen Frauen schlafe, heißt das doch nicht, dass ich meine Frau deswegen weniger liebe."

Ich war damals von der Konsequenz dieser Logik beeindruckt.

Auch wenn sich die praktische Umsetzung dieser Philosophie im Bereich der Partnerschaft als schwierig herausstellen dürfte, so müsste es doch aber auf jeden Fall für Freundschaften gelten.

Trotzdem glaube ich, dass die Limitierung der Freunde auf die Zahl der Finger, die man an einer, maximal an zwei Händen hat, sinnvoll ist.

Natürlich hat man genug "Liebe" zur Verfügung, aber man hat nicht genug Zeit.
Freundschaften wollen gepflegt sein.

Die Europäer im Allgemeinen, und wir Deutschen im Speziellen, gehen in der Regel sehr sparsam mit dem Begriff der Freundschaft um.
Zumindest glauben wir das von uns.
"Die Amerikaner, die nennen doch jeden Friend."
Jemanden seinen Freund zu nennen, und zwar nicht aus einem alkoholisierten Zustand heraus, wo diese Bezeichnung auf jeden, der nicht bei drei auf den Bäumen ist, zutrifft, denn - hey wir sind doch alle gleich, nein, sondern im nüchternen und aufgeräumten Gemüt, kommt einem Orden gleich.

Winnetou und Old Shatterhand haben die Nummer mit Blut symbolisch untermauert.
Erst haben sie sich mit einem Messer die Innenseite der Handgelenke angeritzt, anschließend haben sie ihre Wunden so aufeinander gepresst, dass sich ihr Blut vermischt hat.

Als ich acht Jahre alt war, wollte ich mit Martin Müller Blutsbrüderschaft besiegeln.

Wir haben uns nicht getraut.

Ich habe noch ungefähr zwei Freunde, die ich seit frühester Jugend meine Freunde nennen darf.
Mittlerweile länger als mein halbes Leben.
Ich sehe sie selten, denn beide wohnen jeweils in einer anderen Stadt.
Wenn ich sie aber dann sehe, dann scheint es mir oft so, als wären die ganzen großartigen Entwicklungen, die ich in der langen Zeit durchlaufen habe, wie weggeblasen.
Andersherum ist es genauso.
"Jaja, den anderen neuen Leuten in Deiner Stadt kannse ja gerne vormachen, dass du jetz so und so bist, aber ich weiß wo du herkommst. Also, was soll dieses affige Lederband um Dein Handgelenk?"

Je älter man wird, desto schwieriger wird es angeblich, Freundschaften zu schließen.
Ich glaube das nicht.
Es ist doch so, dass wenn man jung ist, man ständig mit Seinesgleichen zusammen ist.
Und man verbringt eine sehr wichtige und prägende Zeit miteinander.
Die Adoleszenz.
Zusammen jung sein verbindet.
Zumindest tut es das, solange man jung ist.

Viele Leute schleppen alte Freundschaften mit sich herum.
Wenn sie diese Menschen jetzt kennenlernen würden, würden sie aller Wahrscheinlichkeit nach keine Freunde werden.

Ist es ein realistischer Anspruch mit einem Menschen sein Leben lang befreundet sein zu wollen?
Was ist, wenn die Freundschaft ihr Haltbarkeitsdatum bereits überschritten hat?
Darf man dann Schluss machen?
Wenn der andere sich wie ein Arschloch verhält, klar, dann ja.
Und wenn nicht?

Es dürfte sich menschlich als ziemlich anstrengend erweisen, einem alten Weggefährtem die Freundschaft zu kündigen, weil er einen nicht mehr inspiriert.
Also tut man das, was alle tun, man lässt es auslaufen.
"Ey, meld Dich mal wieder... Wir müssen mal wieder was zusammen machen... Das Telefon funktioniert in beide Richtungen."
Jaja, man kennt das.

Überhaupt zeigt sich oft erst, was eine Freundschaft wert ist, wenn schlechte Zeiten anstehen.
Und ich meine nicht, dass der eine Freund gerade finanziell klamm ist und der andere ihm aushilft, oder wenn man jemanden für den Umzug braucht, Liebeskummer hat oder dergleichen, sondern, wenn einer sich in eine Richtung entwickelt, die man nicht gutheißt.

Das ist schwierig.

Am schwierigsten ist es, wenn es einen selbst nicht direkt betrifft.
Ich war in meinem Leben immer wieder Zeuge davon, dass Freunde irgendwie unter die Räder gekommen sind, es irgendwie nicht gepackt haben, oder dabei waren ihr Potential zu verschenken.
In diesen Fällen ist es nicht damit getan, dass man seinem Freund mal eben den Kopf wäscht und ihn entsprechend einnordet.
Diese Fälle sind schwerwiegender.
Man spürt, dass der Andere, entweder uneinsichtig oder nicht in der Lage ist, etwas an der Situation zu ändern.
Aber das Schlimmst daran ist, dass die Freundschaft ihr Gleichgewicht verliert.
Man ist plötzlich nicht mehr auf Augenhöhe.
Und auf Augenhöhe sein ist doch eines der wichtigsten Merkmale einer Freundschaft.
Irgendwann aber stellt man fest, dass allein die Tatsache, dass man sich schon sehr lange kennt, keine ausreichende Basis für eine ernsthafte, tiefergehende und verantwortungsvolle Beziehung ist.
Denn das ist genau das, was eine Freundschaft ist.

Wie lange man sich kennt, spielt keine Rolle.

Sonntag, 9. November 2008

Es war die Martha und nicht der Nordpol

Wie ich ja schon mal erwähnte, bin ich vor zweieinhalb Jahren nach Köln gezogen.
Und in Köln sollte ich eine wichtige Sache lernen, die sich mir bis dato entzogen hatte.

Die Strasse in die ich gezogen bin, liegt direkt an der Luxemburger Strasse.
Ich dachte mir nichts dabei, denn in Köln heißt ja vieles ein bisschen anders.
Nachdem ich also anfangs die besondere Schreibweise der Luxemburger Strasse als ulkige, regionale Schrulle abgetan und ihr keine besondere Bedeutung zugemessen habe, fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen.

Das heißt wirklich so.
Nicht nur in Köln, sondern überall in Deutschland.
Es heißt Luxemburg.

Der Leser wird sich an dieser Stelle denken: "Häh? Klar Luxemburg. Wie denn sonst?"
Nun, in den bis dahin 31 Jahren, in denen ich mich mal so, mal so durchs Leben laviert habe, habe ich immer geglaubt, dass es LuxeNburg heißt.

Aber es war die Martha und nicht der Nordpol.

Luxemburg.

Zugegeben, das war ein kleiner Schock.
Sofort fing ich an, meine vorangegangenen 31 Jahre durchzuscannen.

"Wie kann das denn sein?
Schließlich bin ich doch ein sprachlich talentiertes Kerlchen und außerdem hatte ich in der Abiturprüfung in Deutsch eine Eins.
Ob es daran liegt, dass ich auf einer Gesamtschule war?
Wie oft hatte ich mich zum Deppen gemacht, in dem ich das Wort falsch aussprach?
Vielleicht hat es ja auch niemand bemerkt...in den 31 Jahren.
Hm..."

Bis heute finde ich, dass Luxenburg auch viel schöner klingt.
Irgendwie richtiger.
Luxemburg klingt so, als ob jemand aus dem Ruhrpott das Wort falsch dekliniert hat:
"Gib mich ma dat Bier aus Luxemburg."

Brrr.

Aber warum hat mich das so geschockt?
Denn, wenn man ehrlich ist, passiert einem so etwas immer wieder.
Nicht täglich, aber dennoch regelmäßig.
Man hat irgendein Wort falsch gelernt, aber weil es phonetisch ähnlich klingt, kommt man damit sein halbes Leben lang durch.
Aber eben nur sein halbes.

Gut ist, wenn man es wie oben beschrieben selbst und vor allen Dingen alleine merkt.
Schlecht ist, wenn einem diese Wortmissbildung in Gesellschaft aus der Lippe fällt.

Als ich eines Tages mit zwei Freunden im Auto unterwegs war, gerieten wir in einen Stau.
Es war aber nicht so schlimm, denn der Stau schien sich gerade aufzulösen, was mich zu folgender unklugen Äußerung verleitete:
"Ach, das ist ja nicht so schlimm. Es ist ja nur zellfließender Verkehr."

"...Was für ein Verkehr?"

In diesem Augenblick wußte ich genau, dass irgend etwas an meiner Formulierung nicht stimmen konnte, aber was? Ich hatte nicht mehr viel Zeit. Mein Freund blickte mich bereits mit diebischer Vorfreude an.

"...Äh...zell-fließender Ver-kehr?"

"Wieso denn - zellfließend?"

Aha, jetzt wußte ich wenigstens was ich falsch gemacht hatte. Und natürlich war mir sofort klar, wie es richtig zu heißen hat. Zähfließender Verkehr. Weil er zäh fließt. Na klar. Trotzdem musste möglichst schnell eine souveräne und eloquente Begründung her, die im Idealfalle sogar IHN daran zweifeln ließe, ob er nicht Derjenige Welche ist, der hier falsch liegt.

"Naja...weil die Autos sich nur so einzeln fortbewegen. So wie Zellen. Eine nach der Anderen?"

Der Erfolg dieser Erklärung hielt sich in Grenzen.

Als ungetaufter Atheist, dachte ich auch lange Zeit, es heißt: Hallejulia

Peinlichkeiten dieser Art sind furchtbar und ich nehme jedem meiner Freunde, die Diskreditierung meiner sprachlichen Souveränität, durch schadenfrohes darauf herumreiten, äußerst übel.

Neulich saß ich mit einem anderen Freund zusammen.
Wir diskutierten angeregt darüber, welchen Film wir uns denn heute Abend anschauen sollen.
Die Diskussion wurde immer hitziger.
Die Filme, die er vorschlug interressierten mich nicht.
Die Filme, die ich vorschlug, fand er ebenso uninteressant oder hatte sie angeblich schon gesehen.
Als ich wieder einen Film vorschlug sagte er:
"Nee, den kenn ich echt HIN und auswendig."

"...wie kennst Du den Film?"

Donnerstag, 6. November 2008

Heute in den 80ern

Seit ungefähr zehn Wochen treffe ich mich einmal wöchentlich mit meinem Freund C. zum morgendlichem Schwimmen.
Morgendlich heißt 7:00 Uhr.

Nur der frühe Vogel fängt den Wurm.
Wer später geht, plantscht rum oder ist neun Jahre alt und mit seiner Klasse da.
Außerdem kann C. nur um diese Zeit, danach muss er arbeiten.
Dementsprechend bin ich also genötigt, wenn ich nicht alleine schwimmen gehen will, was dann genau genommen einem gar nicht schwimmen gehen gleich käme, mitzugehen.
Im Schwimmbad läuft meistens irgendeine Musik, die der jeweilige Bademeister nach Gespür für das, was die Schwimmposse braucht auflegt.
Von Rammstein bis Wolle Petry ist alles dabei.

Heute müssen die Swimpeople wohl was ganz Besonderes gebraucht haben, denn der Bademaster hat einen 80er Mix aufgelegt.
Ich sollte eher sagen - eingelegt.
Denn ich bezweifle,dass es sich dabei um eine CD gehandelt haben kann.
Es war auch keiner dieser lustigen 80er Fetenretro-Compilations, die einem bei jedem Lied in wehmütigen Erinnerungen an die gute alte Zeit schwelgen lassen.
B-C Prominente von Rosi Mittermeier bis Susanne Sideropoulos erinnern sich mit einem wissendem Lächeln und blöden Sprüchen in irgendeiner Olli Geißen Suppe an die tolle Zeit und die lustigen Schulter-Polster in den Jacken.
"Hach, was sahen wir dämlich aus. Aber so lief man eben rum."

Komischerweise sind die Hälfte der arschnasigen Nichtskönner alle viel zu jung, als dass sie von dem Lebensgefühl der 80er irgendetwas hätten mitbekommen können.
Nein, zu diesem Schlage gehörte die Musik, die morgens um 7:14 Uhr im Schwimmbad meines Vertrauens lief nicht.
Vielmehr war es original Stuff. True Shit.
Und Shit trifft es ganz gut.
Erster Song: Caribiean Queen von Billy Ocean. Ungewöhnlich für einen Sampler, aber möglich.
Zweiter Song: G-G-G-Geil von Bruce and Bongo.
"The discjockey's geil g-g-g-g-geil the discjockey's geil g-g-g-g-geil
I said the discjockey's geil g-g-geil g-g-geil" Stimmt leider nicht.
Susanne Sideropoulos: "Hach ja, hab ich fast vergessen."
KLAR, DU WARST JA AUCH ERST ZWEI!
Dritter Song: Brassa Lui von...na von wem wohl?!

Spätestens da war klar, dass das keine CD sein KANN!
Es war tatsächlich ein original Tape aus den lustigen 80ern.
Nach dem dritten Song trat eine regelrechte Modern Talking Phase ein.
You can win if you want.
Atlantis is calling S.O.S. for love.

Meine sportliche Leistung fiel rapide ab.
Ich hätte winnen können, aber ich wante nicht mehr.

Mittwoch, 5. November 2008

Neulich in Amerika

Vor gut und gerne zweieinhalb Jahren bin ich nach Köln gezogen.
Ich komme aus Duisburg und somit war ich extrem schnell von dieser Stadt angetan.
Im Prinzip könnte man sagen, dass sie genau wie meine Heimatstadt ist, allerdings wesentlich cooler.
Das mag das Herz des duisburger Lokalpatrioten vielleicht schmerzen, aber es ist leider war.
Nie war ich ein Freund dieser Stadt.
Der Menschen, ja.
Der geographischen Region, auf jeden Fall.
Aber die Stadt, also quasi die City wie der Engländer sagt, hat diese Bezeichnung kaum verdient, wohl eher eine Town.
Und ich war der Smalltown Boy.
Nicht in meiner sexuellen Ausrichtung, aber doch in meiner Einsamkeit.

Jedenfalls kann ich mich noch gut daran erinnern, dass ich mit 14 Jahren an einem Samstag gegen 14:20 Uhr in der City stand, mich umschaute, die geschlossenen Geschäfte betrachtete, und mir dachte:
Hier geht gar nichts!

Meine Vorstellung von einer coolen Stadt war geprägt durch amerikanischen Teenagerfilme.
In Duisburg gab es aber keine Strassen, die von Palmen eingesäumt waren.
Frauen in Bikinis machten sich leider auch tendenziell eher rar und eine große amerikanische Mall, in der alles blinkt und überall Menschen sind, gab es auch nicht.
Jahre später wurde nach genau dem Vorbild einer amerikanischen Mall in Oberhausen das Centro eröffnet.

Ich habe es gehasst und hasse es noch heute.
Alles blinkt und überall sind Menschen.
Jedesmal wenn ich im Centro bin kann ich spüren, wie uralte Überlebensinstinkte in mir aufkochen.
Ich habe das Bedürfnis alle Menschen, die mir im Weg stehen, brutalst zur Seite zu stoßen, oder zumindest ihnen zu verbieten zu rauchen, langsam zu gehen, abrubt stehen zu bleiben oder einfach nur so viele zu sein.
In den Klamottenläden gibt es DJs.
Das sind natürlich junge Hanswürste, die sich ihre Haare in möglichst asymetrischer Form schneiden und färben lassen.
Gerne mit einem Streifen, der sich quer durch das Haupthaar zieht.
Streifenhörnchen.
Die Musik ist selbstverständlich immer viel zu laut.
Einmal wollte ich im Centro unter anderem eine Arbeitshose und ein Vorhängeschloss kaufen.
Das Gute an diesen Malls ist ja dann doch, dass es eine Infoecke gibt, an der eine halbwegs freundliche Dame sagt, was man wo bekommt, wo die Toiletten liegen, oder wo ich mir die Haare so wie dieser hübsche Hanswurst aus dem TrueStylerFashionWear Shop schneiden lassen kann.
Das Schlechte an diesen Malls ist ja dann doch, dass man auf die Frage, wo man denn eine Arbeitshose und ein Vorhängeschloss kaufen könne, die Antwort: "Sowas gibt es hier nicht" bekommt.

Hätte ich das mit 14 Jahren damals in Duisburg in der Fußgängerzone gewußt, wäre ich vielleicht etwas milder in meinem Urteil über meine Heimatstadt gewesen.

Dienstag, 4. November 2008

Neulich im Restaurant

Ich sitze mit meiner Freundin in einem gutbürgerlichem Restaurant.
Deutsche Küche.
Ich habe Sauerbraten mit Knödeln und Rotkohl geordert, sie Rumpsteak mit Pommes.
Wir sitzen direkt am Gang und neben uns läuft ein älterer Mann um die 60 an uns vorbei.
Sternhagelvoll.
Genau in dem Augenblick, in dem er auf unserer Höhe ist, läßt er einen richtig fiesen, feuchten und vor allen Dingen lauten Furz ab.

Ich bin fassungslos.

Nicht wirklich über das soeben gehörte und bald schon gerochene Geräusch, nein, sondern darüber, dass niemand auch nur eine Miene verzieht oder sonst irgendwie Notiz davon zu nehmen scheint.
Weder die Gäste an den Nebentischen, noch der Kellner, der unmittelbar hinter dem Furzer läuft, noch meine Freundin.

Niemand.

Ich frage meine Freundin, ob sie nicht gehört hat, dass der Typ gerade einen hat fahren lassen - und zwar volles Rohr.
Sie sagt: Ah...dann habe ich doch richtig gehört.
Ich war mir sicher, dass ich mich geirrt habe und das Geräusch woanders hergekommen ist.

Das Geräusch?

Wenn man noch nicht einmal mehr der Wahrnehmung einer Frau trauen kann, die sich Rumpsteak mit Pommes bestellt...

Offensichtlich ist der Gedanke daran, dass jemand in einem Restaurant so laut einen fahren läßt, dass die Kimme flattert, so undenkbar, dass das soeben Geschehene einfach aus dem Hirn gelöscht wird.

Wenn ein dreiundachtzigarmiges Tentakelwesen sich mit einem zwölfäugigem Orang Utan Boogie Woogie tanzend durch die Gänge bewegt hätte, hätte es mit Sicherheit auch niemand gesehen.

Was undenkbar ist, kann auch nicht sein.

Nach diesem Vorfall bin ich fest davon überzeugt, dass Außerirdische schon lange unter, ach was, neben uns leben.
Wahrscheinlich lugt dir, lieber Leser jetzt gerade einer über die Schulter, liest mit und lacht schallend.

Aber das Geräusch, dass sich genau wie ein wieherndes Gelächter anhört, kommt sicher irgendwo anders her.

Denk am besten gar nicht drüber nach.